70 Jahre nach Lawinenkatastrophe: Vorarlberg diskutiert, wie sich der Schutzwald im Klimawandel entwickeln soll

VN / 16.03.2024 • 10:43 Uhr
2.Waldsymposium des Waldvereins
Dorothee Glöckle, Michael Hollersbacher, Maria Ganahl, Axel Göttlein, Gretel Zanoni, Alexander Mayr und Walter Amann beim zweiten Waldsymposium im St. Gerold. HAB

Am Freitag fand das zweite Vorarlberger Waldsymposium zum Thema “Schutzwald in Bedrängnis” in St. Gerold statt.

St. Gerold Im Gedenken an die Lawinenkatastrophe im Großen Walsertal vor 70 Jahren griff der Vorarlberger Waldverein bei seinem zweiten Vorarlberger Waldsymposium das Thema der Schutzwaldentwicklung im Klimawandel auf. Nach den Klimaprognosen wird die Gefahr von Extremereignissen wie Windwürfe, Schneebruchschäden mit anschließenden Borkenkäfervermehrungen zunehmen. Die Bergwaldentwicklung und notwendige Vorbeugemaßnahmen im Klimawandel waren die großen Themen. Welche Probleme es gibt und welche Maßnahmen gesetzt werden müssen, wurden hier aufgezeigt.

Die Bedeutung der Schutzwälder nehme zu und gleichzeitig gelangen diese Wälder immer mehr in Bedrängnis. Die Ortschaften in den extremen Gebieten Vorarlbergs wachsen und daher sei es umso wichtiger, sie und die Infrastruktur zu schützen. Hier ist auch der Waldverein Vorarlberg gefragt.

2.Waldsymposium des Waldvereins
Landesrat Christian Gantner bei der Geschenksüberreichung an Obmann Walter Amann, mit Andreas Amann.

Obmann Walter Amann begrüßte die zahlreichen Mitglieder und stellte die Bedeutung des Waldes und seine Funktionalität, gerade in Bezug auf die Lawinenkatastrophe im Großen Walsertal, dar. Bürgermeister Alwin Müller, Andrea Schwarzmann, Obfrau der REGIO Großes Walsertal, und Landesrat Christian Gantner betonten die Wichtigkeit des Waldes für Vorarlberg und die Bedeutung des Waldvereins als starke Stimme für den Wald. Zwei Drittel Vorarlbergs wären ohne den gesunden Wald nicht bewohnbar, der gleichzeitig als grüne Lunge und CO₂-Speicher dient.

Zum Auftakt des Symposiums sprach Maria Ganahl mit der Zeitzeugin Gretel Zanoni, wie sie damals die Lawinenkatastrophe erlebt hatte.

“Unterernährte” Wälder

Prof. Dr. Axel Göttlein von der TU München ging in seinem anschließendem Vortrag auf die Waldernährung und den Wasserhaushalt im Gebirgswald ein. Die Waldübernutzung schadet dem Wald. Dazu stellte er u.a. in seinen Untersuchungen fest, dass ein Drittel der Wälder in Vorarlberg „unterernährt“ ist. Das heißt, dass der Humus schwindet. Gleichzeitig zeigte er aber auch die Lösungsansätze zur Behebung dieses Defizits auf. In weiterer Folge heißt das, je intensiver die Nutzung des Waldes ist, umso größer sind die negativen Auswirkungen, wobei der Klimawandel und der Anstieg der Temperaturen um zwei Grad bewirken, dass die Ökozonen im Gebirge immer weiter nach oben wandern. Es brauche Strukturen im einzelnen Waldbestand. Wie der Wald genutzt wird, so entwickelt sich auch der Wald. Daher seien der Waldumbau und die Baumartendiversifizierung so schnell wie möglich umzusetzen, was auch heißt, dass es artenreiche Mischwälder bis in höhere Lagen hinauf braucht. Göttlein forderte daher die Förster und Waldbesitzer auf, den Wald umzubauen: „Wir sind es unserer Gesellschaft und den Enkeln schuldig. Förster und Waldbesitzer seid unbequem!”

2.Waldsymposium des Waldvereins
Gretel Zanoni wurde von Maria Ganahl interviewt.

Alexander Mayr aus Holzkirchen postulierte eine naturnahe und Wald angepasste Jagd. Ein Hauptproblem in der Waldverjüngung ist der Überbestand des Schalenwildes, der ein Aufkommen der wichtigen Mischbaumarten verhindert. Schutzmaßnahmen kosten Geld, aber der Wald müsse trotzdem vor dem Wild kommen.

Der Weg zu einem stabilen Zukunftswald

Dazu verlangen die Schäden, die durch Kahlschlag und Holzernteschäden entstehen, eine naturnahe Waldbewirtschaftung. Am Beispiel seines Waldes zeigte er den erfolgreichen Weg zu einem stabilen Zukunftswald auf. Der Wald zeigt, ob die Jagd stimmt. Waldfreundlich heiße nicht gleich wildfeindlich, denn der Lebensraum Wald bestimmt die Wilddichte, nicht die Fütterungskapazität. Dazu brauche es Holzpreise, die den Waldbesitzer zu einer naturnahen Waldbewirtschaftung motivieren und regionale Holzbauoffensiven, um den biologisch idealen Baustoff zu puschen.

2.Waldsymposium des Waldvereins
Gretel Zanoni rettete als 21-Jährige in Blons ein Kleinkind.

Die verantwortlichen Politiker und Fachleute wurden unter anderem gefragt, wie
sich Vorarlberg für solche Situationen vorbereitet. Auch wurde gefragt, welche Maßnahmen zur Vorbeugung getroffen werden, damit der Schutzwald mit hoher Widerstand- und Regenerationsfähigkeit die zukünftigen Herausforderungen meistern kann.

Gäste waren neben Landesrat Christian Gantner, die Bürgermeister Alwin Müller, Erich Kaufmann, Willi Müller, Werner Konzett, Stefan Nigsch, von der Landwirtschaftskammer Vorarlberg Thomas Ölz und Josef Moosbrugger und Forstwirt Nikolaus A. Urban. HAB