Klimaklage: Österreich drohen erhebliche Folgen

Schweiz vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof verurteilt. Verfahren gegen Österreich folgt.
Schwarzach Die Schweiz verletzt Menschenrechte – weil sie nicht genug gegen den Klimawandel tut. Das urteilten Richterinnen und Richter des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag und gaben damit einer Gruppe von Schweizer Seniorinnen recht. Es ist ein Urteil mit Folgen, wie Rechtsanwältin Michaela Krömer erklärt. Sie kämpft gemeinsam mit Privatpersonen, Prominenten wie Chris Lohner und Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit für eine Klimaklage vor dem EGMR, nachdem der Verfassungsgerichtshof in Österreich die Klage zurückgewiesen hatte. „Das Verfahren ist beim EGMR anhängig. Das Urteil zur Schweiz erhöht die Chancen, dass wir gewinnen, enorm.“ Die Vorarlberger Klimaaktivistin Marina Hagen-Canaval ist ebenso guter Dinge: „Das Urteil ist richtungsweisend, weil man Regierungen nun dazu zwingen kann, zu tun, was sie versprechen, nämlich die Leute zu schützen. Es ist schön, dass der EGMR endlich ausspricht, was wir schon lange sagen, nämlich dass inaktive Klimapolitik den Menschen schadet und offenkundig rechtswidrig ist.

Im Schweizer Fall hatten vier Seniorinnen sowie der Verein “KlimaSeniorinnen Schweiz” geklagt. Das Land verletze Artikel 8 (“Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens”) der europäischen Menschenrechtskonvention, hielten die Richter mit 16 zu einer Stimme fest. Die Schweizer Behörden hätten es versäumt, rechtzeitig und angemessen auf den Klimawandel zu reagieren, heißt es in einer Aussendung des EGMR. Zudem hätten die Klägerinnen nicht ausreichend die Möglichkeit gehabt, vor nationalen Gerichten zu klagen.

Die Klagen sechs junger Portugiesen und jene eines früheren französischen Bürgermeisters wies der EGMR hingegen aus formellen Gründen ab. „Aber die Bewusstseinsbildung der Klimaschützerinnen und -schützer wirkt“, sagt Hagen-Canaval. Mit den Klimaprotesten – egal ob „brav“ oder „zivil ungehorsam“ – steige auch die Besorgnis der Bevölkerung zu Klimathemen, wie eine aktuelle Studie beweise.

Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd äußerte sich in einer ersten Reaktion überrascht von dem EGMR-Urteil. “Mich interessiert die Begründung”, sagte Amherd bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Der Schweiz seien nämlich Nachhaltigkeit, Biodiversität und das Nettonullziel “sehr wichtig”. Daher sei sie gespannt, die Details des Urteils zu lesen.

Anwältin Michaela Krömer rät der Bundesregierung, sich die Entscheidung gegen die Schweiz genau anzusehen, weil mit ihrer Klimaklage ein ähnliches Verfahren anhängig sei und mit Sicherheit weitere folgen würden. „Das Urteil trifft Österreich an einem wunden Punkt, weil es das Rechtsschutzdefizit anspricht.“ Der EGMR betone, dass Schutzpflichten bestehen und Staaten Beschwerdemöglichkeiten sowie prozessuale Rechte schaffen müssten, um Grundrechte einfordern zu können. „Das ist in Österreich derzeit nicht der Fall.“
Der EGMR wurde errichtet, um die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention sicherzustellen. Diese enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen zum Umweltschutz. Dennoch verpflichtete der Gerichtshof in früheren Fällen, bei denen es um die Industrie und die Müllwirtschaft ging, Staaten zur Erhaltung einer “gesunden Umwelt”. Auch hier beriefen sich die Richter bereits auf Artikel 8 der Konvention – dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.