“Irgendwann schlägt er zu”

Körperliche und sexuelle Gewalt sind kein Randphänomen, zeigt der Gleichstellungsbericht. Sie werden durch das herrschende Machtgefälle und patriarchale Strukturen begünstigt.
Schwarzach Frauen sind mit strukturellen Nachteilen und Abhängigkeiten konfrontiert, wie der aktuelle Bericht zu ihrer Gleichstellung darlegt. Und eben diese Ungleichheit kann schwere Folgen nach sich ziehen: Geschlechterrollenbilder seien ein wesentliches Moment für Gewalt, berichtet Brigitte Stadelmann, Sozialarbeiterin im amazoneZentrum. „Ungleichheit führt zu einem Machtgefälle, das potenziell Gewalt fördert.”

„Wenn es um toxische Beziehungen geht, um häusliche Gewalt, ist das Muster immer dasselbe“, betont Stadelmann. Das wird auch im Gleichstellungsbericht bestätigt. Gewalt gegen Frauen sei die Spitze bestehender geschlechtsspezifischer Machtverhältnisse und patriarchaler Strukturen. Abhängigkeiten wirkten nicht nur begünstigend. Sie würden auch erschweren, aus einer Gewaltbeziehung zu entkommen. Die Sozialarbeiterin erzählt von einer Beziehungsgeschichte, die sie in Workshops durchspielen. „Ein Paar lernt sich kennen. Zu Beginn ist alles super, man fühlt sich gesehen. Dann geht es los: Der Mann will wissen, wohin die Frau mit ihren Freundinnen weggeht, möchte, dass sie zurückkommt, will Kontrolle darüber, was sie anzieht. Die Kontrolle wird immer stärker. Der Partner beginnt seine Freundin zu isolieren. Irgendwann schlägt er zu. Wir lassen die Jugendlichen überlegen, wann sie aus dieser Beziehung aussteigen würden.“ Hier werde deutlich, wie wenig Frauen und Mädchen bewusst sei, dass Gewalt schon vor körperlichen Übergriffen starte.

Laut Gleichstellungsbericht erlebten 23 Prozent aller Frauen in Österreich im Laufe ihres Lebens körperliche Gewalt, 24 Prozent sexuelle Gewalt und 22 Prozent waren von Stalking betroffen. Die betroffenen Frauen kennen zu einem hohen Anteil die Täterinnen und Täter. „Jede zwölfte Frau in Österreich wird im Laufe ihres Lebens Opfer einer Vergewaltigung“, heißt es außerdem.
Es beginnt mit Demütigung
Viele der Klientinnen im amazoneZentrum wüssten gar nicht, dass sie Gewalt erlebten. „Sie fühlen sich unwohl in der Beziehung. Sie haben das Gefühl, dass eigentlich alles gut ist, ordnen aber die Kontrolle, psychische Gewalt, Demütigung und Abwertung nicht als Gewalt ein.“ Es gebe auch andere Gewaltformen. Schon jüngere Mädchen erzählen laut Stadelmann von verbalen Übergriffen. „Ein Beispiel: Zwei Onkel sind zu Besuch und lachen über ein Mädchen in Pubertät, dass ihre Brüste bereits größer wurden. Das ist für viele noch gesellschaftsfähig, aber eine klassische Form von Sexismus.“ Mädchen erzählten auch, wie ihnen nachgepfiffen wird. Manche berichteten von regelmäßigen Grenzüberschreitungen, die oft als Kavaliersdelikte abgetan werden. Wer auf blöde Sprüche reagiere, werde schnell als frigide abgestempelt.