Ungewissheit bei Ukrainern: “Wie lange dürfen wir bleiben?”

Der Aufenthaltsstatus ist begrenzt: 25-jährige Deutschtrainerin zittert um ihre Zukunft in Vorarlberg.
Feldkirch Anna Taran lebt in Ungewissheit. In Vorarlberg hat die 25-jährige Ukrainerin zwar ein neues Zuhause gefunden. Wie lange sie bleiben darf, ist aber unklar. Noch hat sie einen gültigen Aufenthaltstitel. Dieser könnte aber in nicht einmal elf Monaten abgelaufen sein.
Derzeit erhalten ukrainische Kriegsvertriebene in Österreich ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht. Sie sind krankenversichert, kommen in die Grundversorgung und haben bereits ab dem ersten Tag vollen Zugang zum Arbeitsmarkt. Aktuell leben 2500 Kriegsvertriebene in 82 der 96 Vorarlberger Gemeinden, rund 1500 davon in der Grundversorgung.
Nur freie Dienstnehmerin
Anna fand ihre Arbeitsstelle über einen Chat der ukrainischen Community. Sie ist gelernte Deutsch- und Englischlehrerin und hatte dadurch große Vorteile bei der Integration. „Zwischenzeitlich bin ich Deutschtrainerin bei der Caritas.“ Da Deutsch für sie eine Fremdsprache sei, könne sie den Job nur als Kursleiterin ausüben. „So habe ich nur einen freien Dienstnehmervertrag.“ Die Selbstständigkeit gibt ihr zu denken: „Ich weiß nicht, ob ich mich auch so für die Rot-Weiß-Rot-Karte qualifizieren kann.“ Anna fragt sich, was dann passiert: „Bekomme ich wieder eine Karte für Vertriebene für nur ein Jahr?“ Oder müsste sie um Asyl ansuchen? „Dann darf ich überhaupt nicht mehr arbeiten.“

Aufenthaltsrecht mit Ablaufdatum
Die Bundesregierung geht derzeit davon aus, dass das Aufenthaltsrecht bei fortlaufendem Krieg in der Ukraine nochmals verlängert wird. Passiert dies nicht, gibt es aktuell zwei Möglichkeiten: Ab März 2025 könnten Ukrainerinnen und Ukrainer einen Asylantrag stellen, um nach einem Verfahren den Aufenthaltsstatus zu erlangen. Der zweite Weg ist die von den Ministern Johannes Rauch (Grüne) und Martin Kocher (ÖVP) präsentierte „Rot-Weiß-Rot Karte+“, die es ab März 2025 geben soll. Die Voraussetzungen: Mindestens zwölf Monate Berufstätigkeit in Österreich, A1-Deutschniveau und ein Mindesteinkommen, das nach Bezahlung von Miet- und Fixkosten noch 1218 Euro netto für Alleinstehende oder 1921 Euro netto für Paare beträgt. Pro Kind muss das für die „Rot-Weiß-Rot Karte+“ erforderliche Netto-Einkommen um weitere 188 Euro steigen. Hilfsorganisationen wie die Caritas kritisieren, dass das verlangte Einkommen damit deutlich über dem monatlichen Durchschnittsverdienst in Österreich von 2568 Euro brutto liege.
“Grundbedürfnisse nicht abgedeckt”
Finden Ukrainerinnen und Ukrainer derzeit keinen Job, bleiben sie in der Grundversorgung. „Viele geben mangelnde Deutschkenntnisse oder fehlende Kinderbetreuung als Grund dafür an, dass sie nicht arbeiten“, berichtet Bernd Klisch, Fachbereichsleiter in der Flüchtlingshilfe der Caritas Vorarlberg. Das Problem: Die Grundversorgung decke die Grundbedürfnisse nicht ab. Wer sich selbst um seine Unterbringung kümmert, muss mit knapp 650 Euro monatlich auskommen. In einem vom Land organisierten Quartier gibt es bis zu 312 Euro. Werden Ukrainerinnen und Ukrainer in den Unterkünften auch verpflegt, bleiben Taschen- und Bekleidungsgeld von 52,5 Euro monatlich.

Anspruch auf Sozialhilfe haben die Kriegsvertriebenen aus der Ukraine zu keiner Zeit. Wer einen Job findet, diesen aber verliert, kann wieder in die Grundversorgung, muss dafür aber einen Antrag stellen. Laut Fachabteilung des Landes dauert es ein paar Tage, bis die Leistungen wieder ausbezahlt sind.
Ukrainerinnen und Ukrainer, die in den vergangenen zwei Jahren in Österreich mindestens 52 Wochen arbeiteten und Arbeitslosenversicherung bezahlten, haben wie alle anderen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die bekannten Voraussetzungen sind, dass sie arbeitsfähig, arbeitswillig und vermittelbar sein müssen.

“Will meinen Job nicht wechseln”
Darüber macht sich Anna derzeit weniger Gedanken. Sie liebt ihren Beruf. „Ich habe das Gefühl, dass ich für die Arbeit als Deutschtrainerin geboren bin. Ich fände es sehr schade, wenn ich den Job wechseln müsste, nur um eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu erhalten.“ Die Ungewissheit bleibt.
„Der zeitlich begrenzte Aufenthaltstitel und die damit fehlende Sicherheit, langfristig in Österreich bleiben zu können, wirken integrationshemmend“, sagt auch Bernd Klisch. Ein Aufenthaltstitel, der länger als bis März des kommenden Jahres gültig ist, würde es auch erleichtern, Arbeitsverträge abzuschließen.
Anna glaubt, dass die Rot-Weiß-Rot-Karte Sicherheit geben könnte. „Endlich dürfen wir bleiben!“, hätten sich Freunde, die in der Gastronomie arbeiten, über die Ankündigung gefreut. Das wünscht sich die 25-Jährige auch. Sie fühle sich sehr wohl in Vorarlberg, habe sich ein super Leben aufgebaut und wohne mit ihrem Freund zusammen.
Nur ein Wunsch ist noch größer: „Dass der Krieg möglichst schnell aufhört, das wäre wohl der größte Traum für uns alle.“