Satirische Postkarten von Gustave-Henri Jossot

VN / 16.04.2024 • 12:52 Uhr
Postkarte Gustave-Henri Jossot, 1904, Courtesy of Sammlung Richard Huter
Das KUB zeigt eine Postkartenserie des französischen Satirikers Gustave-Henri Jossot. Markus Tretter © Kunsthaus Bregenz

Serie des Karikaturisten Gustave-Henri Jossot zieht als Kommentar zu Günter Brus ins KUB.

Bregenz Ergänzend zur Ausstellung “Günter Brus” zeigt das Kunsthaus Bregenz eine Postkartenserie des französischen Satirikers Gustave-Henri Jossot (1866-1951). Die abgebildeten Karikaturen zeichnen ein schonungsloses Bild der französischen Gesellschaft um die Jahrhundertwende und sind ähnlich prägnant wie die Aktionen und Zeichnungen von Günter Brus. Die Serie ist eine Leihgabe aus österreichischem Privatbesitz und wird bis zum 20. Mai gezeigt.

Postkarte Gustave-Henri Jossot, 1904, Courtesy of Sammlung Richard Huter
Die Postkartenserie erschien erstmals 1902 als Bildstrecke in der Zeitschrift „L’Assiette au Beurre“ Markus Tretter © Kunsthaus Bregenz

Ein Mann schlägt einen etwa vierjährigen Jungen, in einem anderen Bild versohlt ein Kindermädchen einem Säugling den Hintern. Ein Arzt hält mit blutigen Händen ein Neugeborenes hoch, während die Hebamme mit der Geburtszange assistiert. Das Baby habe sich geweigert, auf die Welt zu kommen, heißt es in der Bildunterschrift. Gustave-Henri Jossot schildert diese Szenen mit klaren Konturen und reinen, flächig gesetzten Farben im grafischen Stil des Cloisonismus, der von der modernen Malerei seiner Zeit beeinflusst ist.

Henri Gustave Jossot
Gustave-Henri Jossot wikipedia

Obwohl die künstlerische Ausführung der Postkarten von hoher Qualität ist, entspricht ihr Inhalt nicht dem gehobenen bürgerlichen Geschmack – er könnte schockierender kaum sein. Jossot greift Kirche, Staat und Armee an und zeichnet ein schonungsloses Bild der französischen Gesellschaft: Häusliche und staatliche Gewalt, Kolonialismus, Rassismus, Pädophilie und eine korrupte Justiz werden in seinen Illustrationen mit eindrücklichen Bildfindungen kritisiert.

Kunsthaus Bregenz: Pressekonferenz – Günter Brus 17 | 02 – 20 | 05 | 2024
Kunsthaus Bregenz: Pressekonferenz – Günter Brus 17 | 02 – 20 | 05 | 2024

Die Postkartenserie erschien erstmals 1902 als Bildstrecke in der Zeitschrift „L’Assiette au Beurre“, einer illustrierten Satirezeitschrift für sozialistische und anarchistische Karikaturen. Indem Jossot den Optimismus und die Selbstverliebtheit der Belle Époque geißelte, wurde er zum Vorläufer von Günter Brus und den Wiener Aktionisten. Diese arbeiteten ähnlich drastisch mit dem eigenen Körper gegen Staat, Kirche und gesellschaftliche Institutionen. Ähnlichkeiten gibt es auch zu den Aquarellen von Günter Brus, die im Obergeschoss des Kunsthauses Bregenz zu sehen sind. Auch Brus wählte zur Zeit der Corona-Pandemie die Kombination von Text und Farbbild sowie die Karikatur als Mittel für seine prägnanten Aussagen.