Schmetterlinge als Fieberthermometer der biologischen Vielfalt

Das Viel-Falter-Monitoring ist entscheidend für die Bewahrung der Biodiversität. Biodiversitätsforscher Johannes Rüdisser über die Ergebnisse der ersten vier Jahre.
Schwarzach Sie sind nicht nur schön anzusehen. Sie erfüllen auch eine wichtige Aufgabe in der Natur. Die Rede ist von Schmetterlingen. Sie bestäuben nicht nur zahlreiche Blütenpflanzen, sondern eignen sich zur Beobachtung von Veränderungen in der Natur- und Kulturlandschaft. „Schmetterlinge reagieren äußerst sensibel auf Umweltveränderungen wie den Klimawandel oder auf die Intensivierung der Landwirtschaft. Als Indikatoren dienen sie sozusagen als Fieberthermometer für den Zustand der biologischen Vielfalt“, erklärt Johannes Rüdisser, Leiter des Viel-Falter-Monitorings und Biodiversitätsforscher an der Universität Innsbruck.
Kaum Platz für Schmetterlinge

Im Rahmen des Viel-Falter-Monitorings haben Experten und Freiwillige zwischen 2020 und 2023 an 100 Standorten in Vorarlberg Tagfalter gezählt und bestimmt. 11.000 Individuen wurden in der Erhebungsperiode gezählt. Ob das viele oder wenige Schmetterlinge sind, lasse sich schwer sagen. Der Biodiversitätsforscher umschreibt es folgendermaßen: “Auf klassischen, flachen Talwiesen wurden bei vier Beobachtungen insgesamt nur durchschnittlich acht Individuen gezählt. Das ist nichts.” Auf zumeist etwas weniger intensiv genutzten Wiesen in Hanglagen gibt es hingegen dreimal so viele Sichtungen. Dieses Fehlen von Schmetterlingen und auch von Wildbienen in Talwiesen ist einer intensiven Landwirtschaft, dem häufigen, flächendeckenden und gleichzeitigen Mähen sowie dem Pestizideinsatz geschuldet. Da der Walgau und das Rheintal sehr intensiv genutzte Lebensräume sind, gibt es in diesen Regionen nur mehr sehr wenig Platz für Schmetterlinge.

Da Insektenpopulationen jährlich natürlichen Schwankungen unterliegen, ist es noch zu früh, um nach dem ersten Erhebungszyklus aktuelle Bestandsänderungen festzustellen, so der Leiter des Viel-Falter-Monitorings. “Wenn man aber die noch vorhandenen Wiesen in gutem ökologischen Zustand mit Intensivwiesen vergleicht, dann kann man abschätzen, wie es vor 30 Jahren in den Tallagen ausgesehen haben muss”, erläutert Johannes Rüdisser.

Im Rahmen des Viel-Falter-Tagfalter-Monitorings haben die Experten 8000 Tagfalter in 108 Arten dokumentiert. Das entspricht 68 Prozent der in Vorarlberg vorkommenden Arten. Kleiner Fuchs, Kleiner Kohlweißling und Großes Ochsenauge sind die am weitesten verbreiteten Tagfalterarten Vorarlbergs. Ein Bestandsrückgang bei diesen häufigen und weitverbreiteten Arten hat negative Auswirkungen auf andere Tiere. “Sie dienen als Nahrungsgrundlage für Vögel, Reptilien, Fledermäuse und andere Kleinsäuger”, so der Forscher des Instituts für Ökologie der Universität Innsbruck.


Geschützte Feuchtwiesen
Aber auch seltene und gefährdete Arten wurden beobachtet. “In Feuchtgebieten im Rheintal haben wir beispielsweise die unter Schutz stehenden Hellen- und Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulinge dokumentiert”, erklärt der aus Schruns stammende Ökologe und macht auf die Wichtigkeit dieser unter Schutz stehenden Gebiete aufmerksam.


Mit den Erhebungen haben die Wissenschaftler und die Freiwilligen die Grundlage für die langfristige Beobachtung von Tagfaltern in Vorarlberg geschaffen. “Um Trends ableiten zu können, ist ein Monitoring über mehrere Jahre bis Jahrzehnte notwendig”, unterstreicht Forscher Johannes Rüdisser. 2024 sind daher wieder Schmetterlingsbegeisterte auf Vorarlbergs Wiesen unterwegs, um Daten für den nächsten Erhebungszyklus zu sammeln. Interessierte Freiwillige können sich unter www.viel-falter.at informieren.




