Schmetterlinge als Fieberthermometer der biologischen Vielfalt

VN / 26.05.2024 • 15:06 Uhr
Schmetterlinge als Fieberthermometer der biologischen Vielfalt

Das Viel-Falter-Monitoring ist entscheidend für die Bewahrung der Biodiversität. Biodiversitätsforscher Johannes Rüdisser über die Ergebnisse der ersten vier Jahre.

Schwarzach Sie sind nicht nur schön anzusehen. Sie erfüllen auch eine wichtige Aufgabe in der Natur. Die Rede ist von Schmetterlingen. Sie bestäuben nicht nur zahlreiche Blütenpflanzen, sondern eignen sich zur Beobachtung von Veränderungen in der Natur- und Kulturlandschaft. „Schmetterlinge reagieren äußerst sensibel auf Umweltveränderungen wie den Klimawandel oder auf die Intensivierung der Landwirtschaft. Als Indikatoren dienen sie sozusagen als Fieberthermometer für den Zustand der biologischen Vielfalt“, erklärt Johannes Rüdisser, Leiter des Viel-Falter-Monitorings und Biodiversitätsforscher an der Universität Innsbruck.

Kaum Platz für Schmetterlinge

Tagfalter-Monitoring; Schmetterlinge; Zählung; Kleiner Fuchs
Der Kleine Fuchs gehört zu den weitverbreiteten und häufig beobachteten Schmetterlingsarten. EVA Benedikt

Im Rahmen des Viel-Falter-Monitorings haben Experten und Freiwillige zwischen 2020 und 2023 an 100 Standorten in Vorarlberg Tagfalter gezählt und bestimmt. 11.000 Individuen wurden in der Erhebungsperiode gezählt. Ob das viele oder wenige Schmetterlinge sind, lasse sich schwer sagen. Der Biodiversitätsforscher umschreibt es folgendermaßen: “Auf klassischen, flachen Talwiesen wurden bei vier Beobachtungen insgesamt nur durchschnittlich acht Individuen gezählt. Das ist nichts.” Auf zumeist etwas weniger intensiv genutzten Wiesen in Hanglagen gibt es hingegen dreimal so viele Sichtungen. Dieses Fehlen von Schmetterlingen und auch von Wildbienen in Talwiesen ist einer intensiven Landwirtschaft, dem häufigen, flächendeckenden und gleichzeitigen Mähen sowie dem Pestizideinsatz geschuldet. Da der Walgau und das Rheintal sehr intensiv genutzte Lebensräume sind, gibt es in diesen Regionen nur mehr sehr wenig Platz für Schmetterlinge.

Tagfalter-Monitoring; Schmetterlinge; Zählung; Johannes Rüdisser
“Schmetterlinge sind ausgezeichnete Biodiversitäts-Indikatoren. Sie geben also Auskunft, wie es um den Zustand eines Lebensraums steht”, erklärt Johannes Rüdisser, Leiter des Viel-Falter-Monitorings und Biodiversitätsforscher an der Universität Innsbruck. Reischer

Da Insektenpopulationen jährlich natürlichen Schwankungen unterliegen, ist es noch zu früh, um nach dem ersten Erhebungszyklus aktuelle Bestandsänderungen festzustellen, so der Leiter des Viel-Falter-Monitorings. “Wenn man aber die noch vorhandenen Wiesen in gutem ökologischen Zustand mit Intensivwiesen vergleicht, dann kann man abschätzen, wie es vor 30 Jahren in den Tallagen ausgesehen haben muss”, erläutert Johannes Rüdisser.

Tagfalter-Monitoring; Schmetterlinge; Zählung; Dunkler Wiesenknopf Ameisenbläuling
Der geschützte Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling wurde auf Feuchtwiesen im Rheintal dokumentiert. Eva Hengsberger

Im Rahmen des Viel-Falter-Tagfalter-Monitorings haben die Experten 8000 Tagfalter in 108 Arten dokumentiert. Das entspricht 68 Prozent der in Vorarlberg vorkommenden Arten. Kleiner Fuchs, Kleiner Kohlweißling und Großes Ochsenauge sind die am weitesten verbreiteten Tagfalterarten Vorarlbergs. Ein Bestandsrückgang bei diesen häufigen und weitverbreiteten Arten hat negative Auswirkungen auf andere Tiere. “Sie dienen als Nahrungsgrundlage für Vögel, Reptilien, Fledermäuse und andere Kleinsäuger”, so der Forscher des Instituts für Ökologie der Universität Innsbruck.

Tagfalter-Monitoring; Tagfalter-Zählung; Pressekonferenz; inatura
Johannes Rüdisser (r.) und Peter Huemer (Tiroler Landesmuseen) stellten im April die Ergebnisse der Tagfalter-Zählung in der inatura vor. VN/Gunz
Tagfalter-Monitoring; Tagfalter-Zählung; Pressekonferenz; inatura

Geschützte Feuchtwiesen

Aber auch seltene und gefährdete Arten wurden beobachtet. “In Feuchtgebieten im Rheintal haben wir beispielsweise die unter Schutz stehenden Hellen- und Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulinge dokumentiert”, erklärt der aus Schruns stammende Ökologe und macht auf die Wichtigkeit dieser unter Schutz stehenden Gebiete aufmerksam.

Tagfalter-Monitoring; Schmetterlinge; Zählung;
Bei der Exkursion in Bangs konnten 14 Freiwillige ihre Kenntnisse über Tagfalter vertiefen. Anette Herburger
Tagfalter-Monitoring; Schmetterlinge; Zählung;
Freiwillige versuchen mithilfe einer Plane und Bestimmungsbüchern Schmetterlinge zu bestimmen. Anette Herburger

Mit den Erhebungen haben die Wissenschaftler und die Freiwilligen die Grundlage für die langfristige Beobachtung von Tagfaltern in Vorarlberg geschaffen. “Um Trends ableiten zu können, ist ein Monitoring über mehrere Jahre bis Jahrzehnte notwendig”, unterstreicht Forscher Johannes Rüdisser. 2024 sind daher wieder Schmetterlingsbegeisterte auf Vorarlbergs Wiesen unterwegs, um Daten für den nächsten Erhebungszyklus zu sammeln. Interessierte Freiwillige können sich unter www.viel-falter.at informieren.

Tagfalter-Monitoring; Schmetterlinge; Zählung;
Kleine und große Freiwillige bei der Bestimmung von Schmetterlingen im Rahmen der Freilandexkursion im Schutzgebiet Bangs-Matschels. Ellen Rupprechter
DEU BW Wetter Schmetterling
Der Kleine Kohlweißling gehört zu den am weitest verbreiteten Arten (303 Individuen an 70 Standorten). AP
SCHWEIZ WETTER SCHMETTERLING
Der Admiral wurde an 48 Standorten mit insgesamt 81 Individuen entdeckt. APA
ABD0005_20220601 – SIEVERSDORF – DEUTSCHLAND: 31.05.2022, Brandenburg, Sieversdorf: Ein Schmetterling der Art Kleines Wiesenvšgelchen (Coenonympha pamphilus) sitzt auf einer BlŸte der Magerwiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare). Die Falter ruhen aber meist mit zusammengeklappten FlŸgeln, daher sieht man meist nur die FlŸgelunterseite und den schwarzen Augenfleck. Foto: Patrick Pleul/dpa +++ dpa-Bildfunk +++. – FOTO: APA/dpa/Patrick Pleul
Das Kleine Wiesenvögelchen wurde an 46 Standorten mit insgesamt 433 Individuen beobachtet. APA, dpa
ABD0092_20220808 – NEUKIRCHEN – DEUTSCHLAND: 08.08.2022, Schleswig-Holstein, Neukirchen: Ein Tagpfauenaugen-Schmetterling (Aglais Inachis) saugt bei strahlendem Sonnenschein in einem Garten Nektar aus einer BlŸte. Foto: Axel Heimken/dpa +++ dpa-Bildfunk +++. – FOTO: APA/dpa/Axel Heimken
Das Tagpfauenauge wurde nur acht Mal beobachtet und dokumentiert. APA,dpa