Die Versehrtenrente verwehrt: Das skandalöse Schicksal des Norbert Fischer

Bludenzer (71) kämpft nach zwei schweren Arbeitsunfällen für die volle Invaliditätspension. Bisher erfolglos.
Bludenz Im Jahr 1983 war der Bludenzer Norbert Fischer bereits seit zehn Jahren als Monteur und Prüfer bei einer großen Oberländer Firma angestellt. Dann, es war am 20. April desselben Jahres, kam der große Schicksalsschlag, und das buchstäblich: Bei Arbeiten an einem Seilbagger stürzte ein drei Tonnen schwerer Ausleger auf den Monteur. Fischer überlebte wie durch ein Wunder. Fatal war jedoch die medizinische Verletzungsdiagnose: Bruch des Ober- und Unterschenkels, knöcherner Ausriss des äußeren Seitenbandes des linken Kniegelenkes und Weiteres.
“Nur noch Eisen im Körper”
„Ich lag anschließend neun Monate im Krankenhaus und saß weitere sechs Monate im Rollstuhl. Ich hatte nur noch Eisen im Körper“, schildert der heute 71-Jährige den VN seine damals prekäre Situation. Immerhin wurde ihm aufgrund des anerkannten Arbeitsunfalls eine Versehrtenrente zuerkannt.
Doch nur vorläufig. Denn seine ursprünglich festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit von zumindest 20 Prozent, die für eine Invaliditätspension benötigt wird, wurde plötzlich auf 15 Prozent zurückgeschraubt. Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) entzog Fischer im Jahr 1989 die Dauerrente. „Das kann doch nicht sein! Mir war es unmöglich, meine frühere Arbeit als Monteur wieder aufzunehmen“, brüskiert sich der 71-Jährige noch heute.
Dabei hatte sich Fischer damals immerwährend und selbstständig um andere Beschäftigungen bemüht und ist ihnen auch nachgegangen. Da folgten Jobs in Gewerbebetrieben, unter anderem auch in der Hotellerie, die er für sich als zumutbar hielt. „Doch dann kamen betriebliche Flauten, die für mich und auch andere den Verlust der Stelle nach sich zogen.“

Ein weiterer Arbeitsunfall
Es ging weiter mit einer Arbeit als Verkäufer im Großhandel. Während einer Geschäftsfahrt mit einem Pkw Mitte Februar 1996 wurde Fischer schuldlos von einem Lkw gerammt. Dabei erlitt er eine Zerrung der Halswirbelsäule, die ihm große Schmerzen in der Zukunft bereitete. Auch dies wurde als Arbeitsunfall anerkannt. Und dennoch: Seitens der PVA (Pensionsversicherungsanstalt) wurde dem Unfallopfer ein weiteres Mal keine gesamte Invaliditätsrente zuerkannt.
“An der Kante zum Sozialfall”
„Grund war das Gutachten eines Arztes, das angeblich bescheinigte, dass bei mir auch ohne den Arbeitsunfall Halsbeschwerden eingetreten wären. Und das ist doch ein völliger Blödsinn! Am Hals war bei mir immer alles in Ordnung. Da wurde einfach hinterrücks gegen mich gearbeitet. Aber durch meine Beschwerden war es mir einfach unmöglich, einer weiteren Beschäftigung nachzugehen. Mit dem bisschen, was ich heute an Pension bekomme, also ohne die gesamte Versehrtenrente, stehe ich an der Kante zum Sozialfall.“
Fischer wandte sich X-Male an das Arbeits- und Sozialgericht, ging bis zum Oberlandesgericht, dem Obersten Gerichtshof, es kam zu Verhandlungen, bei denen er unter anderem von Opferanwalt Stefan Denifl vertreten wurde. Bisher jedoch blieb es ein Kampf gegen Windmühlen. „Der Grund dafür ist einfach dieses unsägliche Gutachten“, ist Fischer überzeugt und: „Auch der inzwischen verstorbene VN-Ombudsmann Gottfried Feurstein hatte sich dereinst meiner Sache angenommen, nur noch den Kopf geschüttelt und gesagt, dass er so etwas noch nie erlebt habe.“

“Wiederkehrende Problematik”
Auch Opferanwalt Denifl springt für den Bludenzer in die Bresche und weiß aus seiner Erfahrung, dass es mehrere ähnliche Fälle gibt und sich die Gerichte leider oft nur an das erste Gutachten halten: „Eine immer wiederkehrende Problematik in Sozialrechtssachen besteht darin, dass für den Kläger oder die Klägerin einmal vorliegende negative Sachverständigengutachten nicht oder nur schwerlich zugunsten der Betroffenen abänderbar sind. Auch wenn in späteren Verfahren andere Gutachter bestellt werden, ist davon auszugehen, dass auch diese sich an den ursprünglichen Gutachten zumindest orientieren. Das zuständige Gericht selbst ist bei der Einschätzung, ob zum Beispiel eine Invaliditätspension oder Versehrtenrente gewährt werden kann, auf die medizinischen Experten angewiesen.“