Nur dann haften Lehrer bei folgenschweren Vorfällen auf Projektwochen

VN / 19.06.2024 • 16:13 Uhr
ABD0046_20220407 – WIEN – …STERREICH: (v.r.), Bildungsminister Martin Polaschek (…VP), Tourismusministerin Elisabeth Kšstinger (…VP) anl. eines Treffen mit einer KŠrntner Schulklasse, die erstmals wieder auf Wienwoche ist – Vorstellung der Eckpunkte des neuen Schulveranstaltungsfonds am Donnerstag 07. April 2022 in Wien. – FOTO: APA/HANS PUNZ
Eine Schulklasse in Wien beim Besuch von Sehenswürdigkeiten der Bundeshauptstadt. Wenn alles gut läuft, sind solche Wochen toll, doch wenn nicht … APA

Unfälle, Eigentumsdelikte, Gewaltakte, Alkohol-Exzesse: Viel kann auf mehrtätigen Schulveranstaltungen passieren.

Bregenz Der Schüler lag flach, Vollrausch. Ein Notarzt musste schnell gerufen werden, der Jugendliche landete im Spital, und das nicht nur ambulant. Passiert auf der Projektwoche einer Vorarlberger Schulklasse in der deutschen Hauptstadt Berlin. Selbstredend warf der Vorfall Fragen auf. Unter anderem diese: In welchem Ausmaß sind auch jene Lehrpersonen für solche Vorfälle zur Verantwortung zu ziehen, die die Projektwoche leiteten oder begleiteten? In geschildertem Fall ging alles glimpflich und gütlich aus. Der Schüler konnte mit der Klasse die Heimreise antreten.

Zumutbarkeit

Die Frage bleibt trotzdem: Wann kann einem Lehrer etwas passieren, wenn Schüler während einer mehrtätigen Schulveranstaltung zu Schaden kommen? “Praktisch nie”, hält Schuljurist Markus Juranek (65) unmissverständlich fest. “Lehrpersonen sind rechtlich so gut abgesichert, dass ihnen bei folgeschweren Vorfällen während mehrtägiger Schulveranstaltungen praktisch nichts passieren kann. Natürlich hätten Lehrer eine Aufsichtspflicht. “Aber diese Aufsichtspflicht muss im Rahmen des Zumutbaren liegen”, betont Juranek. Soll in einem konkreten Fallbeispiel heißen: Büchst ein Schüler mitten in der Nacht aus dem Quartier aus, kann die Lehrperson im Falle von schwerwiegenden Folgen der Aktion nicht haftbar gemacht werden. Er muss ja in der Nacht auch schlafen.

Der oberste Schuljurist, Markus Juranek, war bei „Vorarlberg live“ zu Gast. 
Schuljurist Markus Juranek sieht wenig juristische Gefahren für Lehrer bei Schulveranstaltungen. VorarlbergLive

“Abgesehen davon, ist primär immer der Staat zu klagen, da eine Amtshaftung besteht, und nicht die Lehrperson selbst”, ergänzt Juranek. Freilich könne die Republik Regressforderungen an die einzelne Lehrperson stellen.

Viele Anfragen

In seiner über 40-jährigen Berufskarriere als Schuljurist in Tirol, Salzburg und Vorarlberg habe er jedoch nie eine einschlägige Verurteilug einer Lehrperson erlebt, sagt Juranek. “Nur vom Burgenland war mir einmal ein Fall bekannt.” Wie auch immer: In der Bildungsdirektion Vorarlberg gibt es dennoch immer wieder Anfragen verunsicherter Lehrerinnen und Lehrer, die wissen wollen, was ihnen im Fall der Fälle passieren könne.

Für Gerhard Pusnik (65), AHS-Lehrervertreter, ist weniger die mangelnde rechtliche Absicherung von Lehrpersonen der Grund für eine teils skeptische Haltung zu mehrtätigen Schulveranstaltungen. “Viele Kolleginnen und Kollegen bemängeln eher die knappe Besetzung von Lehrerpersonal für solche Veranstaltungen. Weil man den Sparstift ansetzt, ist eine umfassende Begleitung solcher Veranstaltungen kaum mehr möglich.”

Deutschlehrerin Anja Häusle in der Causa Thoma und AHS-Lehrervertreter Gerhard Pusnik
AHS-Lehrervertreter Gerhard Pusnik sieht eine zu knappe Besetzung mit Betreuungspersonal bei mehrtägigen Schulveranstaltungen. VN/Rhomberg

Ablehnung von Schülern

Dass LehrerInnen bei mehrtätigen Schulveranstaltungen rechtlich gut abgesichert sind, sagt auch Pflichtschullehrervertreter Willi Witzemann. “Selbstverständlich muss der Aufsichtspflicht nachgekommen werden. Dann sind Lehrpersonen komplett abgesichert.” Die Zahl der Begleitpersonen sei vorgegeben, meint Witzemann. “Im Vorfeld einer Projektwoche kann der Leiter/die Leiterin aber Schüler ablehnen, die bereits unangenehm aufgefallen sind und denen er/sie nicht vertraut. Das muss dann aber wohlbegründet sein. Besteht der Direktor trotz einer ablehnenden Haltung des Projektwochenleiters auf die Mitnahme eines Schülers, haftet im äußersten Fall er”, betont der Pflichtschullehrervertreter.

Nur dann haften Lehrer bei folgenschweren Vorfällen auf Projektwochen
Pflichtschullehrervertreter Willi Witzemann ortet eine umfassende rechtliche Absicherung von Lehrern. Voraussetzung: Die Aufsichtspflicht wird wahrgenommen. VN/Rhomberg

“Klare Regeln, an die man sich zu halten hat”, bezeichnet BRG-Schoren-Dornbirn-Direktor Reinhard Sepp als den Schlüssel für eine gelungene Projekt, -Sport- oder Sprachwoche. Auch Sepp sieht im Fall von schwerwiegenden Vorfällen mit Schadenspotenzial wenig Gefahr für die Lehrpersonen. “Bei uns organisieren die Kolleginnen und Kollegen solche Veranstaltungen sehr gerne. Und es finden sich auch leicht Begleitpersonen.”

Nur dann haften Lehrer bei folgenschweren Vorfällen auf Projektwochen
BRG-Dornbirn-Schoren-Direktor Reinhard Sepp sieht im Aufstellen von klaren Regeln die Voraussetzung für problemfreie Projekt- oder Skiwochen. VN/Paulitsch