Die eigenen Grenzen verschieben: Lachen und leiden beim 8848-Höhenmeter-Marsch

VN / 24.06.2024 • 16:45 Uhr
Everesting, Alpin8
Mathias Preissler (l.), Organisatorin Saskia Bauer und Patrick Konzett (r.) auf dem Weg zur Bergstation der Palüdbahn. Bilder: VN/JUN

Am vergangenen Wochenende fand zum ersten Mal das Everesting-Event in Brand statt. 8848 Höhenmeter mussten die 150 Teilnehmer bewältigen, also 17-mal von der Talstation zur Bergstation der Palüdbahn wandern. Die VN hat zwei von ihnen, Mathias und Patrick, 1600 Höhenmeter begleitet.

Brand „150 Verrückte laufen den Berg hoch“, sagt Mathias Preissler und lacht. Der 40-jährige Würzburger ist einer der 150 Teilnehmer des Everesting-Events in Brand. 17-mal müssen die Teilnehmer innerhalb von 36 Stunden von der Talstation zur Bergstation der Palüdbahn wandern, das sind 538 Höhenmeter pro Strecke. Am Ende haben sie sogar mehr als die 8848 Höhenmeter hinter sich, nämlich exakt 9146 Höhenmeter.

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Saskia Bauer hat das Event mit ihrer Agentur Alpin8 organisiert.

Mathias ist gut gelaunt und motiviert. Schmerzen oder müde Beine hat er keine. „Dreimal muss ich noch“, sagt er. Dann hat auch er den mit 8848 Metern höchsten Berg der Welt, den Mount Everest, geknackt. Patrick Konzett aus Bludesch muss noch neunmal hoch, doch er denkt nicht, dass er das schafft. Sein persönliches Ziel liegt bei 6000 Höhenmetern. Die Gummibärchen, die auf ihn an der Bergstation warten, treiben ihn an. An vier Verpflegungsstationen gibt es Snacks in Form von Nüssen, Trockenfrüchten, Broten, Süßigkeiten sowie Getränken. Patrick, der Mentaltrainer ist, wollte selbst ausprobieren, wie stark er im Kopf ist. „Ich dachte, mehr als zweimal schaffe ich sowieso nicht.“

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Mathias hat noch immer gute Laune, selbst nach über 7000 Höhenmetern in den Beinen.
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Manuel aus Konstanz hat es schon geschafft und gönnt sich etwas Regeneration.

Grundverschieden

Beide, Patrick (31) und Mathias (40), haben völlig anders auf das Event hintrainiert. Patrick ist kein Sportler. Bei vier Kindern und zwei Nebengewerben bleibt ihm dafür keine Zeit. Er ist „hin und wieder ein bisschen joggen gegangen“, sagt er. Dabei kennt er das Gebiet bei der Palüdbahn recht gut, ist er doch bei den Bergbahnen Brandnertal als Schlosser angestellt und für die Beschneiungsanlage verantwortlich. Mathias, Finanzbeamter und kinderlos, ist durch und durch ein Läufer. Vor allem Marathons haben es ihm angetan. Bei seinem letzten Marathon, der gerade erst eine Woche zurückliegt, hat er sogar seine persönliche Bestzeit aufgestellt. Doch Höhenmeter ist er nicht gewöhnt. „Dass das so eine Herausforderung ist, hätte ich nicht gedacht. Das ist kein Vergleich zu einem Marathon.“

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Beim Selfie-Point kann man sich mit den gestiegenen Höhenmetern ablichten lassen.
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Auf halber Strecke kümmert sich Andreas um die Verpflegung der Teilnehmer.

Start war am Samstag um 5 Uhr morgens. Der Regen setzte glücklicherweise erst um 16 Uhr ein. Da der Wanderweg, der durch den Wald und über steile Wiesen führt, schnell matschig wurde, hat Veranstalterin Saskia Bauer den „Nachtweg“, die Forststraße, frühzeitig geöffnet. So konnten sich die Teilnehmer aussuchen, wo sie lieber gehen wollten.

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Mystisch geht es über den Forstweg durch den Wald.
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Nach jedem Aufstieg muss man die gemachten Höhenmeter auf dem Trikot kennzeichnen lassen.

15 Stunden durchgemacht

Um 20 Uhr am Samstag, nach 15 Stunden, war Andreas Kölb aus Sachsen-Anhalt der Erste, der die 9146 Höhenmeter vollgemacht hat und durch den Zieleinlauf ging. Auch er musste sich seine Kräfte einteilen, jedoch wollte er seinem Leistungsstand gerecht werden und die 17 Bergläufe schnell durchziehen. Er war gut vorbereitet, da er davor den 18-stündigen Ultratrail bei der Zugspitze absolviert hat. „Der Aufstieg fällt mir leichter, da bin ich sehr schnell. Mein Handicap ist das Bergablaufen.“ Daher ist er froh, dass man mit der Palüdbahn hinunter gondelt.

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Andreas Kölb war nach 15 Stunden der Erste im Ziel.
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Immerhin hat es am Sonntag nicht mehr geregnet.

Die Grenze im Kopf

Um die 8848 Höhenmeter zu erreichen, muss man in Zwischenetappen denken. „Der Weg ist das Ziel. Die Grenze liegt nur im Kopf, nicht in den Beinen“, sagt Patrick. „Es gab einige Knackpunkte auf der Strecke und richtig beschissene Runden.“ Und trotzdem macht er weiter. Und Mathias ergänzt: „Ich denke immer nur bis zur nächsten Kurve. Es ist ja kein Wettkampf.“

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Mit der Palüdbahn ging es wieder hinunter.
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Gerd Feucht aus Ostfriesland und Marina Stier aus Feldkirch haben sich zusammengetan und sind gemeinsam durch die Nacht gegangen. “Es ist angenehmer, zusammenzugehen, gerade bei Nacht”, berichtet Marina.

Saskia Bauer ist mit dem Ergebnis des Events rundum zufrieden. „Unsere Erwartungen wurden sogar übertroffen“, sagt sie. „Alle sind von der Organisation beeindruckt.“ Nächstes Jahr hat sie wieder vor, das Everesting in Brand abzuhalten. Die Rückmeldungen der Teilnehmer und der Bergbahnen Brandnertal seien durchweg positiv. 35 Helfer aus dem Freundes- und Familienkreis unterstützen Saskia Bauer bei der Durchführung des Events. „Wir geben uns Mühe, so professionell wie der Ironman zu sein, nur viel sympathischer.“

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Mathias im Zieleinlauf, sichtlich glücklich.
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Verdienter Gipfelschnaps.

Mathias hat es geschafft und die rund 9000 Höhenmeter gemeistert. Er gönnt sich erst einmal einen Gipfelschnaps, den er selbst mit hochgenommen hat. In den nächsten zwei Tagen will er noch ein wenig das Brandnertal erkunden. Es werden also noch ein paar Höhenmeter mehr auf ihn warten. Jetzt aber freut er sich auf die Sauna in seinem Hotel, bevor es am Abend zur Abschlussveranstaltung in den Walliserhof geht.

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Snacks gibt es im Bergrestaurant Goona.
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Manfred und Erich von der Bergrettung Brand sorgten für die Sicherheit.