Sozialbetreuerin nach tödlichem Badeunfall angeklagt

53-jähriger beeinträchtigter Mann ertrank trotz Schwimmnudel in Therapiebad.
Feldkirch Es war ein schrecklicher Unfall, der sich im Oktober vergangenen Jahres in einem Therapiebecken in Rankweil abspielte. Wie bereits seit vielen Jahren besuchten sie das spezielle Schwimmbad: Fünf zum Teil schwerstens körperlich und geistig beeinträchtigte Personen und drei Sozialbetreuerinnen. Mittels eines Liftes senkte man die Schützlinge in das 1,2 Meter tiefe Becken ab. Einer von ihnen, ein 53-jähriger Mann, hatte trotz seiner Handicaps immer großen Spaß. Er war fast blind, konnte ohne Rollstuhl nur wenige Meter mit Hilfe gehen und war auch geistig beeinträchtigt.
Doch mit seiner Schwimmnudel war er im Wasser in seinem Element. Er klatschte damit aufs Wasser, quietschte und liebte die Berührungen mit dem weichen Schaumstoff. Andere Schwimmhilfen wie Schwimmflügel hasste er, machte dies mit Lauten deutlich und lehnte sie konsequent ab.
Einige Sekunden ohne Aufsicht
Am Ende der Therapie blieb der 53-Jährige für gewöhnlich so lange wie möglich im Wasser und wurde dann von der Betreuerin als Letzter unter die Dusche geholt. Dieses Mal musste die 26-Jährige noch rasch ein Handtuch holen, was laut Angaben der drei Sozialbetreuerinnen nicht einmal eine halbe Minute dauerte. Da trieb der Schützling bereits mit Gesicht nach unten am Beckenrand. Er hätte eigentlich stehen können. „Er verlor nie das Gleichgewicht oder kippte um“, so eine der Zeuginnen beim Prozess am Landesgericht Feldkirch. Der Mann wurde sofort reanimiert und später in die Klinik nach Innsbruck verbracht, wo er allerdings elf Tage später verstarb.
Grobe Fahrlässigkeit
Staatsanwältin Sarah Haugeneder sieht beim Prozess trotz allem Respekt für die Betreuerinnen grobe Fahrlässigkeit gegeben und betont nochmals die schweren Beeinträchtigungen des Badeunfallopfers. Gerichtsmedizinerin Claudia Wöss führt aus, dass die Todesursache eindeutig Sauerstoffunterversorgung war. Auf „bedingt durch Ertrinken“ will sie sich allerdings nicht festlegen. Verteidigerin Andrea Concin sieht dementsprechend Zweifel an der Schuld ihrer Mandantin. Die Anwältin hat selbst gestoppt, wie lange es braucht, bis man von der Garderobe ein Handtuch geholt hat. Sie kam auf 20 Sekunden. Für „Ertrinken“ braucht es laut Sachverständiger allerdings drei bis fünf Minuten Sauerstoffunterversorgung.
Freispruch
Richterin Verena Wackerle spricht die Angeklagte vom Vorwurf der grob fahrlässigen Tötung frei. Nicht einmal leichte Fahrlässigkeit sieht die Richterin gegeben. „Es ist unmöglich, jemanden ununterbrochen mit Adleraugen zu beobachten. Ich wüsste nicht, welchen Vorwurf ich Ihnen machen könnte“, ist sie von der Unschuld der Betreuerin überzeugt. Erleichtert und dennoch betroffen umarmen sich die drei Sozialbetreuerinnen nach dem Freispruch. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.