Mega-Drogenprozess wird zur Mega-Zumutung: Vor dem Urteil erst mal 3960 Aktenseiten “Lesevergnügen”

Ein mutmaßlich führendes Mitglied eines Unterländer Motorradclubs stand wegen Drogenschmuggels vor Gericht. Die Verhandlung nahm eine unerwartete Wendung.
Feldkirch Ein mutmaßlich hochrangiges Mitglied eines berüchtigten Vorarlberger Motorradclubs stand am Donnerstag im Mittelpunkt eines der größten Drogenprozesse des Jahres. Der 39-jährige Angeklagte aus dem Bezirk Bregenz wird beschuldigt, enorme Mengen an Rauschgift nach Vorarlberg geschmuggelt zu haben. Laut der Anklage von Staatsanwalt Simon Mathis habe er zwischen 2020 und 2021 insgesamt 50 Kilogramm Kokain und 181 Kilogramm Cannabis ins Land gebracht und weitere Personen zum Drogenschmuggel angestiftet.
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Zerschlagung eines Drogenrings
Durch die Überwachung sogenannter Kryptokommunikationsdienste gelang es den Behörden, einen europaweiten Drogenring aufzudecken. Am 23. Jänner durchsuchten 180 Polizisten zeitgleich mehrere Objekte in Vorarlberg, der Steiermark und im Kanton St. Gallen. Die Beamten stellten Drogen, Bargeld, Waffen und Luxusautos sicher. Der Unterländer wurde festgenommen.

Bei ihm wurden mehrere Waffen gefunden. In ihrem Eröffnungsplädoyer beteuerte Verteidigerin Olivia Lerch seine Unschuld: “Schön, bei meinem Mandanten wurden zwar Waffen wie ein Teleskopschlagstock gefunden, ansonsten aber weder Drogen noch größere Bargeldbeträge oder Luxusautos.” Dass ihm Drogenschmuggel in großem Stil vorgeworfen wird, jedoch kein Rauschgift gefunden wurden, spräche laut der Verteidigung gegen die Anschuldigungen.

Der Angeklagte ließ sich bei der Wahl seiner Verteidiger nicht lumpen. So fuhr eine gleich dreiköpfige, energische Anwaltschaft für ihren Mandanten im Schwurgerichtssaal auf. Neben Olivia Lerch sprangen noch die Rechtsanwälte Roland Kier und Andreas Schweitzer für den Vorarlberger Rocker-Boss und Kindesvater in die Bresche.
Ein Beweisantrag nach dem anderen
Und sie machten es dem vorsitzenden Richter Alexander Wehinger und den Schöffen nicht leicht. Die Anschuldigungen seitens des Staatsanwaltes wiesen sie als haltlos und schlichtweg unwahr zurück.
Bei der Verhandlung standen immer wieder Chatnachrichten in einem Handy zur Debatte, das laut Lerch gar nicht ihrem Mandanten gehört habe. “Dieses Handy war einmal da und dort, während unser Mandant ganz woanders da und dort war”, sagte die Anwältin. Sogleich überschwemmte das Ensemble der Verteidiger den Gerichtssenat mit einer Flut von Beweisanträgen.

Unter anderem stellten die Advokaten die Zulässigkeit der Weitergabe von belastenden Chatnachrichten durch das französische Innenministerium an die österreichische Polizei infrage. “Darunter befinden sich auch originale Rohdaten, die uns vorenthalten werden. Die wollen wir aber haben”, forderte Anwältin Lerch unmissverständlich.
Die Anträge wurden nach längeren Beratungen des Schöffengerichtes zwar allesamt abgelehnt, doch einem raschen Fortgang der Verhandlung kam dies nicht zugute. Ganz im Gegenteil. Denn nun stellte Richter Wehinger die alles entscheidende Frage an die Verteidiger: “Sind Sie mit der Verlesung des Akteninhaltes einverstanden?”
Verlesung des Akteninhaltes. Gäbe die Anwaltschaft ihr Einverständnis zu diesem etwas irritierend anmutenden juristischen Vorgang, würde sie sich gleichzeitig dazu bereit erklären, dass sie den Inhalt des Aktes akzeptiert und dieser dem Urteil zugrunde gelegt werden darf. Und eben genau das will und tut sie eben nicht. Als der Richter das hört, hält er eine weitere fünfzehnminütige Pause vonnöten.
“Dann wird jetzt eben gelesen”
Als der Vorsitzende anschließend wieder in den Saal zurückkehrt, verkündet er: “Na schön, dann wird jetzt eben gelesen.” Was heißen soll, der Forderung der unbeugsamen Anwaltschaft, den Akt in voller Länge vorzutragen, um eventuelle Kontroversen in seinem Inhalt zu erörtern, wird stattgegeben. Und das heißt auch, dass jetzt viel gelesen wird.
Und zwar sehr viel gelesen. Denn der Akt hat 3960 Seiten. Daraus muss Buchstabe für Buchstabe vorgetragen werden. “Das wird viele Tage, wenn nicht Wochen dauern”, ist aus den Reihen der Verteidigung zu hören. Also keine Frohbotschaft für die Prozessbeteiligten. Zunächst aber wird die Verhandlung erst einmal auf unbestimmte Zeit vertagt.
