Ein Triumph für Seong-Jin Cho

VN / 02.09.2024 • 13:10 Uhr
Seong-Jin Cho Royal Concertgebouw Orchestra Myung-Whun Chung
Seong-Jin Cho wurde vom Publikum mit stehenden Ovationen gefeiert. Manuela Jans | Lucerne Festival

Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 in Vollendung.

Luzern Das Lucerne Festival ist bekannt für seine hochkarätigen Konzerte, bei denen einige der besten Orchester der Welt aufeinandertreffen. Das Konzert des Royal Concertgebouw Orchestra unter der Leitung des weltberühmten Dirigenten Chung Myung-Whun versprach einen solchen Abend. Doch es war der kurzfristig eingesprungene südkoreanische Pianist Seong-Jin Cho, der den Abend in ein unvergessliches Erlebnis verwandelte und das Publikum zu frenetischen Standing Ovations hinriss.

Seong-Jin Cho Royal Concertgebouw Orchestra Myung-Whun Chung
Die Leitung des Orchesters lag in den Händen des weltberühmten Dirigenten Myung-Whun Chung. Manuela Jans | Lucerne Festival

Der Abend begann mit der Ouvertüre zu Carl Maria von Webers „Der Freischütz“. Die dunklen Anfangsakkorde und das unheilvolle „Samiel-Motiv“ ließen die düstere Atmosphäre des deutschen Waldes und die mystische Welt der Freischützen aufleben. Webers meisterhafte Orchestrierung zeichnete eine lebendige und kontrastreiche musikalische Erzählung, das Orchester zeigte sich hierbei von seiner besten Seite: präzise, klangschön und mit einer intensiven Verbundenheit zur Musik.

Seong-Jin Cho Royal Concertgebouw Orchestra Myung-Whun Chung
Das Royal Concertgebouw Orchestra aus Amsterdam. Manuela Jans | Lucerne Festival

Dann betrat Seong-Jin Cho die Bühne, um Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 in G-Dur zu interpretieren, und verwandelte den Abend in ein musikalisches Ereignis. Das Konzert beginnt ungewöhnlich intim, mit einem solistischen Einsatz des Klaviers, der sanft und lyrisch den Ton vorgibt. Cho meisterte diesen Moment mit einer ungemeinen Zartheit und ausdrucksstarken Intensität. Der junge Pianist zeigte sich als wahrer Meister seines Fachs, es war vor allem seine Fähigkeit, die subtilen gefühlvollen Nuancen der Musik zum Leben zu erwecken. Der zweite Satz war ein Paradebeispiel für Chos außergewöhnliche Klarheit und Ausdruckskraft. Hier wurde die Geschichte von Orpheus, der mit seiner Musik die wilden Tiere zähmt, in musikalischer Form erzählt, und Cho brachte diese antike Erzählung auf ergreifende Weise zum Ausdruck.

Seong-Jin Cho Royal Concertgebouw Orchestra Myung-Whun Chung
Nach der Pause folgte die Sinfonie Nr. 4 in e-Moll von Johannes Brahms. Manuela Jans | Lucerne Festival

Im Finale des Konzerts offenbarte Cho seine Fähigkeit, die lebendige Energie und den optimistischen Geist der Musik eindrucksvoll zu vermitteln. Seine Darbietung, geprägt von einer meisterhaften Balance aus Präzision und Leidenschaft, führte zu verdientem, lang anhaltendem Applaus – Cho krönte den Abend mit einer herausragenden Performance. Diese erinnerte an sein Debüt beim ersten Bregenzer Meisterkonzert der Saison 2020/21, als er im Festspielhaus ein „Nachholkonzert“ gab, das aufgrund der Pandemie anstelle eines ausgefallenen Frühsommertermins stattfand. Um den Corona-bedingten Abstandsregeln gerecht zu werden, wurde das Konzert zweimal – um 16 Uhr und um 20 Uhr – gespielt, und Cho begeisterte das Publikum bei beiden Aufführungen gleichermaßen.

Seong-Jin Cho Royal Concertgebouw Orchestra Myung-Whun Chung
Der erste Satz wurde mit einer Mischung aus Melancholie und Kraft vorgetragen. Manuela Jans | Lucerne Festival

Nach diesem beeindruckenden Höhepunkt setzte das Royal Concertgebouw Orchestra mit Johannes Brahms’ Sinfonie Nr. 4 in e-Moll fort. Diese Sinfonie, bekannt für ihre dichte Struktur und intensive Emotionalität, bot dem Orchester reichlich Gelegenheit, seine musikalische Reife und technische Perfektion zu demonstrieren. Der erste Satz, geprägt von einem melancholischen Thema, wurde mit einer Mischung aus Melancholie und Kraft vorgetragen, doch auch hier blieb das Gefühl, dass etwas fehlte.

Seong-Jin Cho Royal Concertgebouw Orchestra Myung-Whun Chung
Das Finale wurde technisch einwandfrei gespielt. Manuela Jans | Lucerne Festival

Der zweite Satz der Sinfonie brachte eine sanftere, fast meditative Atmosphäre in den Saal, und das Orchester lieferte eine wohlklingende Interpretation. Doch im dritten Satz, der mit seiner energiegeladenen Rhythmik und volkstümlichen Charakter das Publikum hätte mitreißen sollen, fehlte es an der notwendigen Dynamik. Das Finale, eine meisterhafte Passacaglia, die Brahms auf Grundlage eines barocken Themas entwickelt hat, wurde technisch einwandfrei gespielt, doch es fehlte die emotionale Substanz, die diese Musik eigentlich auszeichnen sollte.