Drogenrazzia-Prozess: Auch zweiter Rocker bekommt stundenlange „Lesestunde“ vor Gericht

Am Landesgericht Feldkirch musste sich ein weiteres Mitglied eines berüchtigten Motorradclubs verantworten. Wie sein MC-Kollege verlangte auch dieser Rocker die Vorlesung der Akte – und der Richter ließ sich nicht lange bitten.
Feldkirch Statt auf einer Harley saß ein weiteres Mitglied eines Unterländer Motorradclubs auf der Anklagebank des Landesgerichts Feldkirch. Der 51-jährige musste sich wegen schweren Drogenhandels verantworten. Ihm wurde zur Last gelegt, zwischen 2020 und 2021 insgesamt 13,1 Kilogramm Kokain und rund 36 Kilogramm Marihuana verkauft zu haben. Außerdem soll er ein Kilogramm Kokain zum Kauf angeboten haben. Laut Anklage wurden die Drogen größtenteils aus dem Ausland nach Vorarlberg geschmuggelt – diesen Schmuggel habe der Oberländer in Auftrag gegeben.

Zudem stießen die Ermittler bei einer Hausdurchsuchung im Jänner auf zwei Gramm Kokain und 500 Gramm Marihuana, die bereits verkaufsbereit in seiner Wohnung gelagert waren. Als ob das nicht genug wäre, stellten sie auch noch zwei verbotene Metallschlagringe sicher. Am Ende klickten die Handschellen.
Drogen, Waffen und Luxusautos
Die Festnahme des 51-Jährigen war Teil einer spektakulären Razzia im Jänner, bei der die Polizei mehrere Mitglieder eines internationalen Drogenrings dingfest machte. Bei Hausdurchsuchungen in Österreich und der Schweiz stellten die Beamten nicht nur tonnenweise Drogen, sondern auch Waffen, dicke Bündel Bargeld und Luxusautos sicher. Der Ring flog auf, als im Zuge internationaler Ermittlungen ein verschlüsselter Kryptomessengerdienst geknackt wurde, über den die Mitglieder ihre illegalen Geschäfte abwickelten.
Von den zwölf Festgenommenen wurden bereits mehrere rechtskräftig zu langen Haftstrafen verurteilt. Kurios: Ein weiterer mutmaßlicher Drahtzieher, ebenfalls Mitglied des Motorradclubs, steht kurz davor, die längste “Lesestunde” in der Geschichte des Gerichts zu bekommen – die VN berichteten.
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Schweigen auf der Anklagebank
“Dem Angeklagten werden mehrere Vergehen zur Last gelegt, darunter Suchtgifthandel, Erwerb und Schmuggel sowie der Besitz illegaler Waffen”, erklärte Staatsanwalt Simon Mathis in seinem Eröffnungsplädoyer. Die Anklage stütze sich auf die Chatnachrichten, die über den verschlüsselten Nachrichtendienst verschickt worden seien. “Die Chats konnten konkret dem Angeklagten zugeordnet werden”, so der Staatsanwalt.
Der Angeklagte zeigte keine Regung, als die gegen ihn vorgebrachten Beweise im Gerichtssaal präsentiert wurden. Zu allen Vorwürfen schwieg er konsequent – eine Taktik, die sein Verteidiger Clemens Haller bereits zu Beginn der Verhandlung angekündigt hatte.
Lesestunde in geraffter Form
Reden war für den Angeklagten nicht nötig, denn Rechtsanwalt Haller hatte einiges zu sagen – in Form von mehreren mehrseitigen Beweisanträgen, die vom Richter wörtlich verlesen wurden. Wie schon bei seinem Clubkollegen lehnte Staatsanwalt Mathis auch in diesem Fall alle Anträge ab. “Ich spreche mich gegen die Beweisanträge aus”, erklärte der öffentliche Ankläger. Auch Richter Wehinger und der Schöffensenat folgten dieser Linie.

Doch mit den Beweisanträgen war es nicht getan: Auch mit einer zusammengefassten Verlesung des Akteninhalts wollte sich Anwalt Haller nicht zufriedengeben. Er bestand auf die vollständige Verlesung. Anders als beim zweiten Motorradclub-Angeklagten begann Richter Wehinger diesmal, den gesamten Akteninhalt in geraffter Form vorzutragen – Seite für Seite, ohne Abkürzungen.

Auf unbestimmte Zeit vertagt
Und die Verlesung der Schriftstücke zog sich in die Länge. “Ich hoffe, Sie haben heute nichts vor”, bemerkte der Richter, bevor er mit der Marathon-Lesung begann. Am späten Montagnachmittag war noch kein Ende in Sicht. Schließlich wurde auch dieser Rocker-Prozess am frühen Abend auf unbestimmte Zeit vertagt.