Wie sicher sind Öffis wirklich? Die verborgenen Gefahren im Linienbus

VN / 16.10.2024 • 15:02 Uhr
unfall bus dornbirn
Eine Havarie mit einem Postbus und mehreren Verletzten ereignete sich im vergangenen Februar in Dornbirn. apa/m. shourot

Keine Gurtenpflicht, oft massiv überfüllt, überraschende Fliehkräfte: Experten machen auf die Risiken bei Busfahrten aufmerksam. Und auch, wie sie eingeschränkt werden können.  

Schwarzach Immer wieder wird von Verletzten nach Unfällen mit Linienbussen berichtet. Im Jänner 2022 krachte in Bürserberg ein Landbus gegen einen Stadel, Ursache war ein falscher Handgriff des Chauffeurs. Die Folge: Neun Verletzte, unter ihnen zwei Kinder.

Als im Juni 2023 in Lustenau ein Landbus gegen einen Baum prallte, weil der Fahrer abgelenkt wurde, erlitten neun Volksschüler spitalsreife Verletzungen. Einige von ihnen waren beim Aufprall gegen die Haltestangen des Busses geschleudert worden. Wären die Kinder auf Sitzplätzen angeschnallt gewesen, wäre das wohl kaum passiert.

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Umstrittene Gurtenpflicht

Doch die Frage nach einer Gurtenpflicht in Öffis ist umstritten. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) würde sich eine Anschnallpflicht speziell bei Schülertransporten in Linienbussen zwar   wünschen, ist sich aber gleichzeitig bewusst, dass eine Umstellung mit hohen Kosten verbunden wäre. Eine andere Argumentation lautet, dass sich die Dauer des Angurtens mit dem einzuhaltenden Zeitplan bei Kurzstrecken etwa im Stadtverkehr nicht vereinbaren ließe. Außerdem seien auch Stehplätze vorhanden. Eine Gurtenpflicht gilt lediglich bei Reisebussen oder im Kraftfahrlinienverkehr bei Strecken über hundert Kilometer.

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Kritikpunkt “Zählregel”

Es ist vielmehr etwas anderes, was den Verkehrssicherheitsexperten sauer aufstößt, wie Martin Pfanner vom KfV Vorarlberg gegenüber den VN erläuterte: „In Linienbussen gilt die ‚3.2-Zählregel`. Bei dieser Regel werden drei Kinder unter 14 Jahren als zwei Personen gezählt. Damit ergibt sich eine höher zu transportierende Anzahl an Personen, also ein Plus von 50 Prozent bei Kindern!

Das KfV fordert seit langem die Abschaffung dieser Zählregel, weil dies zur massiven Überfüllung der Busse vor allem zu Zeiten des Schülertransportes führt. Ein sicherer Transport ist damit nicht mehr gewährleistet, auch beim Ein- und Aussteigen ist das Gedränge dann gefährlich.“ Überdies könne der Busfahrer die behördlich festgelegte Anzahl an Sitz- und Stehplätzen nicht kontrollieren, sofern ein fahrplanmäßiger Betrieb eingehalten werden soll.

Wie sicher sind Öffis wirklich? Die verborgenen Gefahren im Linienbus
Martin Pfanner (Kuratorium für Verkehrssicherheit): “Fordern die Abschaffung der Zählregel.” kfv

Gefährliche Fliehkräfte

Der Vorarlberger Verkehrssachverständige Christian Wolf bringt als zusätzliches Gefahrenpotential auch die im Fahrbetrieb auftretenden Fliehkräfte ins Spiel: „Bei Kurvenfahrten, Ausweichmanövern oder auch Spurwechselvorgängen entstehen und wirken Fliehkräfte auf den Fahrgast. Businsassen ohne sicheren Halt sind dadurch kaum in der Lage, ihre Standsicherheit während des Fahrbetriebes aufrechtzuerhalten.“

Wie sicher sind Öffis wirklich? Die verborgenen Gefahren im Linienbus
Verkehrssachverständiger Christian Wolf: “Ältere Frauen stellten eine besondere Risikogruppe bei Stürzen in Dornbirn dar.” vn

Risikogruppe ältere Frauen

Weiters sei festgestellt worden, dass ältere Personen in der Standsicherheit gegenüber Jüngeren insbesondere beim Gehen im Bus während der Fahrt benachteiligt sind. Eine besonders hohe Risikogruppe bei Stürzen in Omnibussen würden dabei ältere Frauen darstellen. „Bei älteren Personen ist es deshalb wichtig, diesen einen Sitzplatz zu überlassen, um einen Sturz im Linienbus möglichst zu verhindern“, macht Wolf aufmerksam.

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Haltestangen und Schlaufen

Ob ein Sturz eines Fahrgastes durch eine entsprechend aufgebrachte Handkraft (Haltestange oder Schlaufe) im Falle einer starken Bremsung oder Beschleunigung verhindert wird, ist laut dem Verkehrssachverständigen wesentlich von dieser Handkraft abhängig und auch davon, ob der Fahrgast auf die Änderung der Geschwindigkeit des Fahrzeuges mit einer gewissen Erwartungshaltung vorbereitet ist.

„Speziell in den Wintermonaten ist darauf zu achten, dass nasse und rutschige Böden in Linienbussen verhindert werden. Dies kann beispielsweise durch den Einsatz von Antirutschmatten oder entsprechenden Bodenbelägen gewährleistet werden“, ergänzt Wolf.

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