Der Pastor stellt nur Gott zur Wahl

Bei den Baptisten von Lincoln Ville haben Harris und Trump in der Kirche Hausverbot. Aber nur dort.
Lincoln Ville. Die Baptisten-Kirchengemeinde der 3500-Seelen-Kommune Lincoln Ville in Maine. Es sind hauptsächlich ältere Menschen, die sich dort zum Gottesdienst versammeln. Andächtig lauschen sie ihrem jungen Pastor Draa Mackey (28). Der ist ein hervorragender Prediger. Er reißt seine Herde mit, erzählt von früheren Rebellen der katholischen europäischen Amtskirche, beschwört seine Schäfchen, nicht einfach nur eine Agenda zu verfolgen, sondern loszulassen und auf Gottes Stimme zu hören.
Aussagen, oder gar eine Empfehlung für den einen der zwei Kandidaten im Hinblick auf die bevorstehende Präsidentenwahl gibt es von ihm nicht. Das einzig Politische des Gottesdienstes mit viel inbrünstigem Gesang der Gemeinde ist die Fürbitte eines der Mitglieder: Er bittet die Anwesenden, für die Unabhängigkeit und das Überleben Israels zu beten.

“Harris ist Kommunistin”
Nach dem Gottesdienst, noch im Foyer der schmucken Kleinkirche mit stilvollem Holzverbau, wagen wir es, den Mann mit dem schlohweißen Bart und der Baskenmütze zu fragen. Er heißt Rick und ist 69 Jahre alt. „Harris oder Trump?“. Rick zögert keine Sekunde. „Natürlich Donald Trump. Harris ist eine Kommunistin. So was können wir doch hier nicht brauchen.“ Bei aller Entschiedenheit in seiner Antwort bleibt Rick freundlich und legt schließlich sanftmütig ein Geständnis ab. „Ich möchte Ihnen etwas offen sagen. Meine Frau ist für Kamala Harris. Gerade jetzt, während ich in der Kirche bin, rennt sie von Haus zu Haus und versucht Leute für die Demokratin zu gewinnen.“ Rick grinst: „Aber Hauptsache, es gibt etwas zu essen, wenn ich wieder nach Hause komme.“ Über Politik rede er mit seiner Frau ja schon längere Zeit nicht mehr.

Info-Flyer am Tisch
Ricks Sohn Dean steht daneben und hält sich knapp. „Ich gehe wahrscheinlich gar nicht wählen. Keiner der Kandidaten entspricht meinen konservativen Vorstellungen.“
Pastor Draa Mackey gesellt sich zur Runde. „Ich will nicht, dass sich die Leute in meiner Kirche über Politik streiten. Wir erleben schon genug Spannungen. Ich möchte nur dazu beitragen, dass sich die Gläubigen über die Kandidaten und deren Antworten in Fragen, welche unsere Glaubensgemeinschaft betreffen, informieren können“, erklärt der junge Pastor. Auf einem Tisch im Gang liegen Flyer auf. Darin geben die regionalen Kandidaten für die Kammern des Kongresses Antworten auf Fragen zur Verfassung, zu Bildung oder Abtreibung.

Gegen Gendern und Abtreibung
Mackey beschreibt seine Gemeinde als mehrheitlich konservativ. Die Haltungen entsprechen mehr den republikanischen Grundsätzen. Mackey selbst positioniert sich klar gegen „das verrückte Gendern“ und gegen die Abtreibung. Dem öffentlichen Bildungssystem vertraut er nicht mehr. Seinen kleinen Sohn Kirk hat er auf eine Privatschule geschickt. Den Namen Donald Trump nimmt er nicht in den Mund.
Klar ist: In den USA werden Wahlen auch von den Kanzeln der zahlreichen Gotteshäuser mit all ihrer Vielfalt an Glaubensrichtungen entschieden.