So spaltet die US-Wahl Familie Rigley-Boesch in Burlington

Diskussionen werden zu Glaubenskonflikten. Und doch verträgt sich die Familie meiner Verwandten letztlich wieder.
Richmond (Vermont) Ich wurde von meinen Verwandten in Richmond, Vermont vorgewarnt. „Meine Schwester Christine und ihr Mann sind glühende Trump-Anhänger. Wir das Gegenteil. Eine politische Diskussion kann heiß werden“, lässt mich meine Cousine zweiten Grades, Linda (69), im Vorfeld unseres Besuchs wissen.
Unsere Familiengeschichte: Lindas Großvater, mein Großonkel August Bösch, wanderte in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts von Lustenau in die USA aus. Er war Metzger. Er hatte zwei Söhne: Henry und Rudi. Linda und Christine sind Henrys Töchter. Rudi wurde vor 25 Jahren, bereits über 70-jährig, ein Reality-TV-Star einer US-weiten Survival-Show. Er war ein hartgesottener „Seal“ bei der US-Armee, begeisterte ein Millionenpublikum mit seiner Persönlichkeit. Als er in den Ruhestand trat, schrieb ihm sogar US-Präsident Reagan einen berührenden Abschiedsbrief.
Henry war ein Vertreter für Maler- und Anstreicher-Materialien. Ein geselliger Typ mit viel Humor.
FBI und CIA
Wir sitzen am Tisch in Linda und John’s prächtigem Haus inmitten einer wunderbaren Naturkulisse in Richmond, Vermont: Linda, John, Christine und ihr Gatte Alan. Dazu noch zwei von Lindas Kindern samt Enkel. Wir reden beim Dinner lange über die Wohnkultur in der Gegend, das Skifahren, unsere Familien, die nächsten geplanten Besuche der Amerikaner in Vorarlberg.

Doch irgendwann geht’s zwangsläufig zu den bevorstehenden Wahlen. Christina und Alan werden deutlich „Glaubt doch den Mainstreammedien wie NBC, CNN und auch Fox-News nichts. Die wollen Geld machen. Sie inszenieren Sachen“, sagt Alan. Christine legt nach. „Die, die das am 6. Jänner 2023 inszeniert haben, waren Leute vom FBI und vom CIA. Das war jedenfalls alles nicht so, wie uns Mainstream-Medien weis machen wollten.“ Trump habe seine Anhänger nie und nimmer dazu aufgefordert, das Kapitol zu stürmen. „Er hat ihnen gesagt, sie sollen sich friedlich zur Wehr setzen“, behauptet meine Cousine.

Andrew, Lindas und Johns Sohn, platzt der Kragen. Er widerspricht heftig, kommt auch auf Trumps Erpressung von Wahlorganisatoren in Georgia zu sprechen, die für den Ex-Präsidenten Stimmen hätten besorgen sollen. „Trump ist mit all seinen Klagen gegen diese Vorwürfe gescheitert. Mit allen!“ Alan kontert: „Die Verfahren wurden eingestellt. Das ist etwas anderes.“
Es wird hitzig
Nun verstehe ich, was mir die 87-jährige Joanna noch am Vortag in Kennebunkport sagte: „Früher“, so meinte die Tochter eines ehemaligen Botschaftsattaches in der Schweiz, „früher da gab es in einer Familie ja auch nicht immer dieselben Meinungen und Haltungen. Es gab Republikaner genauso wie Demokraten. Nur: Man konnte miteinander reden, Argumente austauschen, diskutieren. Da ist heue bei diesen radikalen Positionen ja gar nicht mehr möglich.“

Im Haus von John und Linda wird die Diskussion hitziger. „Trump würde das mit den Immigranten regeln“, meint Christine. Lindas Tochter Katie hat genug. Sie schüttelt den Kopf. „Gehen wir. Die Kinder müssen morgen in die Schule“, sagt sie zu ihrem Mann.
Apfelkuchen wird zur Friedenspfeife
Eine Eskalation der Meinungsverschiedenheiten lassen die Gastgeber nicht zu. Das Thema wird gewechselt. Der köstlichen Apfelkuchen als Dessert erfährt eine solidarische Huldigung. Es ist plötzlich so, als hätte es die hitzige politische Diskussion von vorhin nicht gegeben. Auch Katie verabschiedet sich schließlich herzlich von ihrer Tante Christine, der früheren Krankenschwester. Alan, ein eigentlich origineller Typ, klopft ein paar lockere, völlig unpolitische Sprüche. Mein Bruder und ich werfen uns einen Blick zu. Gut, dass es Trump nicht schaffte, einen schönen Familienabend zu zerstören.