Pension kennt er nicht: Mit 90 Jahren arbeitet Hubert Engstler immer noch in seiner Tischlerei

VN / 21.11.2024 • 13:12 Uhr
Hubert Engstler, Tischlerei Engstler
Hubert Engstler arbeitet immer noch täglich in der Tischlerei. Bilder: VN/JUN

Mit 90 Jahren arbeitet Hubert Engstler immer noch täglich in der familiengeführten Tischlerei Engstler in Dalaas an der Seite von zwei weiteren Generationen.

Dalaas Jeden Tag schnappt sich Hubert Engstler seinen 40 Jahre alten Drahtesel und fährt zur Tischlerei auf der anderen Straßenseite, wo er immer noch tatkräftig mithilft. Obwohl die Tischlerei Engstler längst an die nächste Generation übergeben wurde, kann der 90-Jährige nicht vollständig loslassen. Auch ohne den Handwerksbetrieb führt er ein erfülltes Leben, hat er doch zwei Kinder, vier Enkel und sieben Urenkel, ein Haus mit Garten in Dalaas und eine glückliche Ehe mit Anna-Lisa.

Hubert Engstler, Tischlerei Engstler
Mit seiner Frau Anna-Lisa ist er immer noch glücklich verheiratet.

Drei Generationen arbeiten derzeit in der Tischlerei Engstler: Hubert Engstler, sein Sohn Klaus und sein Enkel Robert. Streit gibt es untereinander keinen. Klaus hat sich auf Fenster spezialisiert, Robert auf Möbel – und Hubert gehört quasi zum Inventar. Inzwischen wird die Tischlerei, die 1894 von Josef Engstler gegründet wurde, in der fünften Generation geführt.

Tischlerei Engstler mit Hubert, Klaus und Robert Engstler
In der Tischlerei Engstler arbeiten mittlerweile drei Generationen (v. l.): Klaus, Hubert und Robert Engstler. Anna Engstler

Viele Schicksalsschläge

Nicht nur die Tischlerei hat in den 130 Jahren viel mitgemacht (1951 ist sie abgebrannt), auch Hubert Engstler blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück, sind doch drei seiner Brüder sowie seine dreijährige Tochter tödlich verunglückt. Bei Kriegsende musste die Familie ins Maisäß oberhalb von Dalaas flüchten, wo eine Granate einschlug und Huberts Bruder am Bauch tödlich verletzte. Kurz darauf ertrank sein anderer Bruder beim Schwimmen durch die Illschlucht.

Hubert Engstler, Tischlerei Engstler
Mit seinem rostigen Fahrrad ist Hubert Engstler immer noch mobil.

Doch er lässt sich von den Schicksalsschlägen nicht unterkriegen – und auch nicht vom Alter. Mit seinem rostigen Fahrrad transportiert er diverse Gegenstände und kümmert sich in der Tischlerei um die Hackschnitzelheizung sowie um das eigene Kraftwerk. „Wir waren die Ersten in Dalaas, die ihren eigenen Strom produziert haben“, erzählt Hubert. „Mein Großvater war schon damals sehr fortschrittlich.“

Mit seinen 90 Jahren richtet Hubert Engstler weiterhin Werkzeuge her, repariert Maschinen, stapelt und sortiert Holzbretter und macht Hobelarbeiten. „Ich habe überhaupt keine körperlichen Probleme. Ich höre nur etwas schlechter“, sagt Hubert, der ein Hörgerät trägt. Seine Frau Anna-Lisa ermahnt ihn, sich nicht zu überarbeiten, weiß aber auch, dass es ihm nicht guttun würde, daheim untätig zu bleiben. „Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich nichts machen kann“, sagt Hubert. „Ich brauche Arbeit.“

Hubert Engstler, Tischlerei Engstler
Ein Haus mit Garten in Dalaas: Die Haus- und Gartenarbeit hält Hubert fit.

Körperlich und geistig fit

Nicht nur körperlich, sondern auch geistig hält sich Hubert fit. So rechnet er immer noch die Zahlen im Kopf zusammen – ohne Taschenrechner. „Das Einmaleins kann ich noch“, sagt er. Auch sonst fehlt ihm gesundheitlich nichts. „Ich schlafe und esse gut. Ich war noch nie im Krankenstand und habe noch nie eine Grippe gehabt.“ Nur in der Weihnachtszeit geht es ihm schlechter: „Da isst man viel und hat wenig Bewegung.“

Das Haus mit Garten hält ihn ebenfalls fit. „Der Garten ist mein Hobby“, sagt der 90-Jährige. „Ich helfe meiner Frau im Haus. Das ist für mich selbstverständlich.“ Hubert Engstler kocht gerne für seine Enkel und Urenkel – am liebsten Fleischgerichte. Vor allem Wildfleisch isst er gerne, dazu ein guter Tropfen Wein, den er gerne in seinem vor vier Jahren selbst ausgebauten Weinkeller trinkt.

Tischlerei Engstler mit Hubert, Klaus und Robert Engstler
Streit gibt es zwischen den drei Generationen nicht. Anna Engstler

Die Übernahme der Tischlerei verlief damals ganz anders als geplant. Sein zwei Jahre älterer Bruder hätte die Tischlerei übernehmen sollen, doch dieser ist bei einem Arbeitsunfall gestorben. „Ich sollte sofort nach Hause kommen und den Betrieb übernehmen“, erinnert sich Hubert, obwohl er keine Tischlerlehre vorweisen konnte. Für seine Ausbildung zum Maler lebte er sechs Jahre in Bludenz. Sein jüngerer Bruder war zwar ausgelernter Tischler, aber noch zu jung, um den Betrieb zu leiten.

Aus dem eigenen Malerbetrieb wurde nichts. Stattdessen machte er eine Tischler- und Glaserausbildung. Innerhalb von sechs Jahren legte er zwei Lehrabschlussprüfungen und zwei Meisterprüfungen ab und übernahm mit 24 Jahren die Tischlerei.

Tischlerei Engstler mit Hubert, Klaus und Robert Engstler
Die Tischlerei Engstler wird mittlerweile in fünfter Generation geführt. Anna Engstler

Mit 60 Jahren übergab Hubert den Betrieb an seinen Sohn Klaus. „Ich habe das nervlich nicht mehr geschafft, schlecht geschlafen und zu viel nachgedacht“, erklärt Hubert. Heute geht es ihm besser als damals: „Ich fühle mich wohl und mit meiner Frau ist es wunderschön.“