Wie der kleine Ilyias sich langsam in unsere Welt tastet

Autistischer Bub braucht intensive Therapie. Er wird auch von “Ma hilft” unterstützt.
Lustenau Es ist ziemlich dunkel im Reihenhaus der Familie Köse in der Lustenauer Lerchenfeldstraße. “Ich bitte um Verständnis”, sagt Janine Köse (28), “Ilyas verträgt momentan kein Licht.” Ilyas ist ihr sechsjähriger Sohn. Er ist Autist, hat seine zustandstypischen Eigenheiten. Er tollt mit seiner zweijährigen Schwester Meliah auf der Couch herum. Diese quietscht vor Vergnügen, während die Augen von Mama und Oma Edith leuchten. “Jetzt beachtet er sie, kommuniziert mit ihr. Bis vor kurzem hat er sich abgewandt, wenn Meliah auf ihn zukam.”
Am Andocken
Es sind Entwicklungen wie diese, die Mama und Oma Kraft geben und sie für ihre aufopfernde Rundum-Betreuung von Ilyas entschädigen. Spürbare Fortschritte hat der Bub gemacht, seit Janine und Edith mit ihm wieder einmal in der Türkei auf Therapie waren. Eine Therapie, die maßgeschneidert ist für Ilyas und die es für ihn in Österreich nicht gibt. Das weiß auch Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher, an die sich Eltern und Oma des kleinen Buben gewandt hatten.

Ilyas, der natürlich immer noch hauptsächlich in seiner Welt lebt, hat jetzt aber auch an unsere Welt angedockt. “Er kann sich jetzt ausdrücken, zu verstehen geben, wenn er essen oder trinken will, auf den Spielplatz möchte, oder zu seinem Opa”, erzählt die Mama freudig aufgeregt.

Ilyas spricht
Seit kurzem kann Ilyas noch mehr. “Er spricht. Sätze mit zwei, drei Wörtern. Das ist für uns unglaublich”, schwärmt Janine. Die zehntägige Therapie nahe Izmir mit Spezialtherapeutin Hanife hat gewirkt. Bis zu vier Mal im Jahr fliegen die Köses mit Ilyas in die Türkei, wo der Bub intensiv behandelt wird. Das frisst den ganzen Urlaub des Papas und kostet natürlich viel Geld. “Ma hilft” hat eine Therapie für Ilyas unterstützt. Die Therapie konzentriert sich voll und ganz auf Ilyas’ Kontaktkompetenzen. Dazu gehört auch die Nachahmung bestimmter Aktivitäten. “Nun kann er klatschen, seine Hände auf Geheiß in die Höhe heben. Was sich für Außenstehende als das Normalste der Welt annimmt, sind für uns bahnbrechende Entwicklungen”, betont Janine. In der Türkei waren zehn Tage nacheinander täglich dreieinhalb Stunden Intensivtherapie angesagt.

Ilyas ist jetzt so weit, dass ihn die Mama kommendes Jahr unbedingt in eine Regelvolksschule bringen will. “Natürlich geht das nur mit einer Assistenz-Lehrperson in der Klasse”, weiß Janine Köse.
Ein ewiger Kampf
Die jüngsten Fortschritte können dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, wie herausfordernd das Leben mit einem autistischen Kind ist. Ilyas ist, wofür er nichts kann, unberechenbar. Ein Tick kommt und verschwindet, wechselt mit einem anderen. Derzeit verträgt der Bub das Licht nicht, fängt an zu schreien, wenn es zu hell ist. Autisten reagieren panisch auf die Störung gewohnter Abläufe. “Ilyas will zum Beispiel draußen immer dieselbe Runde laufen”, gibt die Mutter ein Beispiel. Bevor sie in die Türkei fahren, zeigt Janine ihm Bilder von den verschiedenen Örtlichkeiten der Unterkunft. “Damit er sich so schnell wie möglich daran gewöhnt.”

Janine ist zu einer Art Botschafterin für das Verständnis von Autisten geworden. “Leider versteht die Gesellschaft noch viel zu wenig von Autismus.” Janine führt einen Kampf, den sie mit Ilyas nie beenden wird können.