„Es fällt schon schwer, nach 20 Jahren das alles aufzugeben“ – Warum Gastwirt Michael Hirschauer das Rössle schließen muss

Nach zwei Jahrzehnten schließt das beliebte Thüringer Gasthaus Rössle seine Türen. Die Entscheidung fiel Michael Hirschauer nicht leicht, aber er weiß, dass es die einzig richtige ist.
Thüringen Letzten Samstag haben alle geweint. Stammgäste sind gekommen, um sich zu verabschieden. Ein letztes Mal hat Michael Hirschauer das legendäre Elefantenohr (ein bis zu einem Kilogramm schweres Schnitzel) serviert. „Es sind Tränen geflossen, aber nicht nur Tränen“, betont der Wirt, dass am letzten Abend auch ordentlich gefeiert wurde. Nach 20 Jahren beendet Michael Hirschauer seine berufliche Laufbahn als Koch und Wirt im Gasthof Rössle.

Das Gasthaus liegt zentral in Thüringen und war all die Jahre für viele das Stammlokal – so auch für Bürgermeister Harald Witwer. Nach den Gemeindevertretungssitzungen kam man noch auf ein Bier im Rössle zusammen. Auch Weihnachtsfeiern wurden abgehalten. Manche Firmen wie Küng Bodenbau haben heuer ihre Weihnachtsfeier extra in den November verlegt, um im Rössle ein letztes Mal feiern zu können. In letzter Zeit war das Gasthaus so voll gewesen, dass man drei bis vier Wochen im Voraus einen Tisch reservieren musste. „Es ist bei uns brutal zugegangen, als klar wurde, dass wir zumachen werden“, sagt Michael Hirschauer.


Für ihn und seine Frau Hannelore stand die Entscheidung, dieses Kapitel ihres Lebens zu beenden, bereits im Juli fest, als die Zusage von der Krankenkasse kam, dass Michael eine Erwerbsunfähigkeitspension erhält. Denn Michael Hirschauer hat schon einige gesundheitliche Schicksalsschläge verkraften müssen. Krebs, zwei Herzinfarkte und einen Darmdurchbruch mit Not-OP hat er hinter sich. Doch seit dem schweren Herzinfarkt vor vier Jahren fehlt ihm einfach die Energie. „Förderlich ist der Job nach zwei Herzinfarkten nicht. Es ist ein anstrengender Job mit vielen Stunden. Es geht gesundheitlich nicht mehr“, bedauert der 56-Jährige. Wenn er sich zu sehr angestrengte, spürte er wieder ein Stechen in der Brust. Seine Frau Hanni half ihm in der Küche, doch auch sie ist körperlich eingeschränkt.

Heuer wurde das Gasthaus zum Wirtshaus des Jahres ausgezeichnet und laut einer Umfrage von Antenne Vorarlberg bekam man bei Michael Hirschauer das beste Schnitzel im Ländle serviert. Das Rössle hat einen guten Ruf und ist über Vorarlberg hinaus bekannt – vor allem für seine Elefantenohren, die so groß waren, dass sich viele Gäste den Rest einpacken ließen. Doch auch Backhendl und Elefantenrüssel (ein Fleischspieß) wurden in rauen Mengen bestellt.

Harald Witwer und Michael Hirschauer wünschen sich, dass das Rössle schon bald einen Nachfolger hat. „Wir würden auch mit Rat und Tat zur Seite stehen“, sichert Harald Witwer dem neuen Pächter Unterstützung zu. Ihm wäre nur wichtig, dass es ein gut bürgerliches Restaurant bleibt. Es gab schon Interessenten, doch diese sind wieder abgesprungen. Dabei müsste der neue Pächter gar nicht mehr viel investieren, da Küchengeräte und Stammkundschaft bereits vorhanden sind. Und weder mit dem Eigentümer Alexander Gerster noch mit den Nachbarn gab es je Probleme, wie Michael Hirschauer bestätigt.


Nächste Woche Samstag veranstaltet er von 10 bis 16 Uhr einen Flohmarkt, bei dem Geschirr, Dekoration, kleine Küchengeräte und Möbel verkauft werden. „Es fällt schon schwer, nach 20 Jahren das alles aufzugeben“, sagt der Giesinger. Doch er freut sich auch auf die freie Zeit. „Ich habe mir einen Monolith-Grill gekauft. Dann kann ich mal räuchern und Brot backen.“ Und auch mit seinen zwei Motorrädern – eines davon ist eine Harley – will er mehr Ausflüge machen. „Ich habe keine Angst, dass mir langweilig wird“, sagt er und lacht. Freundschaften will er wieder mehr pflegen, denn seine Freunde kamen in den letzten Jahren zu kurz. „Wenn ich mal frei hatte, dann war ich müde und lag flach.“

Viele wollen aufgrund des Arbeitsstresses kein Gastronom mehr sein, ortet Michael Hirschauer hier den Grund für das Gasthaussterben. Wenn jedoch die Qualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmen, könne man als Gastronom sehr gut verdienen. Ihm hat die Arbeit immer Spaß gemacht: „Du hast einen tollen Menschenkontakt und kriegst viele Komplimente.“ Harald Witwer kann das bestätigen: „Die Leute sind dankbar gewesen, dass Thüringen überhaupt noch ein Gasthaus hat.“

