Kisten voller Erinnerungen an eine düstere Zeit

Heide-Marie Cöllen führte durch die Ausstellung „Tatsachen. das materielle Erbe des Nationalsozialismus“ im Stadtmuseum.
Dornbirn Sie lagern im Stadtmuseum in milchigen Kunststoffboxen, die nur dem nahen Betrachter einen klaren Blick auf sie zulassen: Eine Gedenktafel, ein HJ-Messer mit ausgekratztem Hakenkreuz, Ahnenpässe und Mutterkreuze, zusammen mit vielen weiteren Artefakten aus der Zeit des Nationalsozialismus. In der Ausstellung „Tatsachen. das materielle Erbe des Nationalsozialismus“ dreht sich alles um Objekte aus der Nazi-Zeit, die von Dornbirner Familien aufbewahrt wurden. Nachdem diese jahrzehntelang auf Dachböden und in Kellerabteilen Staub angesammelt hatten, werden sie nun in besagten Boxen im Stadtmuseum zur Schau gestellt.

Der Grund für die geschlossenen Boxen ist laut Heide-Marie Cöllen: „Dieser dunkle Abschnitt der Geschichte soll in den Kisten bleiben, nach dem Motto: Deckel drauf und nie wieder“. Cöllen, eine pensionierte Historikerin, gab im Rahmen einer öffentlichen Führung diesen und viele weitere Einblicke in die Ausstellung.
Zuckerdose und Mutterkreuz
In einer der semitransparenten Boxen befindet sich eine Zuckerdose der Familie Turteltaub. Diese aus Dornbirn stammende jüdische Familie wurde nach vergeblichen Fluchtversuchen 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Da ihr Schicksal jedoch erst 1997 bekannt wurde, konnten ihre Namen nicht auf der Gedenktafel, welche ebenfalls Teil der Ausstellung ist, verewigt werden.

In einer weiteren Kiste befindet sich ein goldenes Mutterkreuz. Ein solches wurde an sogenannte erbgesunde Mütter fürs Kindergebären ausgegeben. Ein bronzenes Mutterkreuz für vier und fünf Kinder, ein silbernes für sechs und sieben und ein goldenes Mutterkreuz ab acht Kindern. „Auch wenn Mütter es nicht wollten, haben sie trotzdem das Abzeichen bekommen und durften es nicht ablehnen“ so Heide-Marie Cöllen.

Die archivierte Gedenktafel
Zwischen Kofferaufklebern und Munitionshülsen ist die zuvor erwähnte Gedenktafel zu finden. Diese Tafel, mit den Namen der Dornbirner Opfer des Nationalsozialismus wurde Ende der 1980er Jahre von der Johann-August-Malin-Gesellschaft erstellt und dem Stadtrat überbracht. Unter anderem ist auch der Name Hugo Lunardon auf der Tafel eingraviert.

Lunardon war ein Polizeikommandant in Dornbirn, der damit beauftragt war, in der Zeit vor dem Einmarsch die Tätigkeiten der Nationalsozialisten zu unterbinden. Sein Stellvertreter war jedoch ein glühender Nazi und stenografierte sein Tun. Nach dem sogenannten Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland wurde Lunardon im KZ Dachau inhaftiert. „Sobald Menschen im Konzentrationslager ankamen, wurden sie nur noch als Sache angesehen“ erklärte Cölllen. Mit sich trug Hugo Lunardon einen Begleitschein mit der Aufschrift RU für „Rückkehr unerwünscht“. Lunardon starb zwei Jahre später im KZ Mauthausen. Obwohl Dornbirn die Tafel Ende der 80er erhielt, wurde im Stadtrat fünf Jahre lang diskutiert, was denn mit der Tafel gemacht werden solle. Die Gesellschaft forderte schließlich die Rückgabe der Tafel, woraufhin ein neuer Gedenkstein angefertigt und vor dem Stadtarchiv platziert wurde. Die in der Ausstellung gezeigte Tafel verblieb jedoch im Archiv.

Zum Ende ihrer Führung griff Cöllen noch Themen wie Schulausbildung, die Rolle der Frauen und Arbeit während des zweiten Weltkriegs auf. „Tatsachen. das materielle Erbe des Nationalsozialismus“ ermöglicht einen intimen Einblick in die NS-Zeit in Vorarlberg und beleuchtet Aspekte jenseits der bekannten Geschichten. Interessierte haben noch bis zum 23. Februar 2025 Gelegenheit, die Ausstellung zu besuchen und sich mit dem Zusammenhang zwischen Dornbirn und der NS-Zeit auseinanderzusetzen. MKA
