“Wer Angst vor Sandlern hat, hat Angst vor der Welt”

VN / 06.01.2025 • 16:19 Uhr
"Wer Angst vor Sandlern hat, hat Angst vor der Welt"
Stummer Protest am Dornbirner Busbahnhof: George Nussbaumer, Wolfgang Verocai, Robert Schneider, Jutta Soraperra, Nicole Nussbaumer (v. l.). vn/paulitsch

Künstler demonstrierten am Dornbirner Busbahnhof gegen Maßnahmen zur Verbannung von Obdachlosen.

Dornbirn Der Götzner Autor (“Schlafes Bruder”) und Journalist Robert Schneider (63) hat ein Herz für Obdachlose und seit längerer Zeit einen Groll gegen jene, die diese vom Dornbirner Busbahnhof weghaben wollen. Namentlich die Stadt Dornbirn. Verschärfte Maßnahmen machen dort unterstandslosen Menschen, die sich horizontal auf den Wartebänken niederlassen, den Garaus. Die Bänke sind seit Kurzem mit Holzbalken versehen, sodass ein Hinlegen nicht mehr möglich ist. “Aber es sind ja auch andere Maßnahmen, die einfach verachtenswert sind”, betont Schneider. Er erwähnt die ausgebaute Videoüberwachung, Flutlichtscheinwerfer, permanente Kontrollen durch Polizei und Securitys. “Das ganze Sicherheitskonzept der Stadt Dornbirn ist gegen die Würde des Menschen”, wird Schneider noch konkreter.

"Wer Angst vor Sandlern hat, hat Angst vor der Welt"
Auch Pensionist Günther Pichler findet die gegen Obdachlose gerichteten Maßnahmen am Dornbirner Bahnhof nicht gut.

“Es ist traurig”

Gemeinsam mit den Liedermachern George Nussbaumer (61) und Wolfgang Verocai (70) traf sich Schneider zu einem stillen Sitzprotest auf den mit Balken versehenen Bänken. “Man hat für alles Platz in unserer Gesellschaft. Unter anderem für Autos und Fahrräder, aber offensichtlich nicht für Menschen ohne Dach über dem Kopf. Sollen die versteckt werden? Es ist traurig”, findet Wolfgang Verocai.

George Nussbaumer sekundiert: “Mich haben Ärger und Verwunderung hierher gebracht. Durch solche Aktionen werden Menschen am Rande der Gesellschaft ausgegrenzt. Das ist inakzeptabel. Diese Menschen sollen in unserem kapitalistischen System wohl unsichtbar gemacht werden.”

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Kein Verständnis

Unterstützt werden die Künstler in ihrem Protest von einigen Bürgern, die von der kurzfristig angesetzten Aktion erfahren haben. Eine von diesen ist Jutta Soraperra (68). “Ich bin sehr oft am Bahnhof. Speziell diese Balken sind einfach menschenverachtend.”

"Wer Angst vor Sandlern hat, hat Angst vor der Welt"
Passanten diskutierten die Aktion am Dornbirner Busbahnhof. Nicht alle fanden die Maßnahmen ungerechtfertigt.

Auch Günther Pichler fehlt jedes Verständnis für das Sicherheitskonzept der Stadt. “Aktionen zum Schutz gegen Sandler finde ich einfach untragbar.” Ein männliches Mitglied einer Gruppe von Senioren, das sich dem Sitzprotest auf einer anderen Bank angeschlossen hat, wird noch deutlicher: “Wer Angst vor Sandlern hat, hat Angst vor der ganzen Welt. Wo sind wir denn?”

"Wer Angst vor Sandlern hat, hat Angst vor der Welt"
Sozial-Stadträtin Marie Louise Hinterauer auf einer mit Balken versehen Wartebank. “Es kommen neue Bänke, aber liegen wird man darauf auch nicht können.”

Stadträtin wehrt sich

Die für die Maßnahmen zuständige Stadträtin für Soziales, Marie Louise Hinterauer (71), verteidigt das Sicherheitskonzept. “Es ist dies das Ergebnis von eingehenden Beratungen mit Experten aus den verschiedensten Bereichen. Es gab hier immer wieder Probleme vor allem mit zwei Obdachlosen, die alle Regeln missachtet haben und selbst für soziale Organisationen zum unlösbaren Problem wurden. Diese Personen sind resistent gegen jede Ordnung. Sie verrichten ihre Notdurft an diesen Orten, belästigen Passanten. Uns erreichten in der Stadt zahlreiche Klagen. Wir gehen nicht gegen Obdachlose per se vor. Sie sind Teil unserer Gesellschaft. Mit den Bänken sind wir selber nicht glücklich. Wir werden sie bald ersetzen. Liegen wird man auf den neuen allerdings auch nicht können.”