“Es kann nicht sein, dass man ganze Bestände keult und beim Rotwild nichts tut”

Der Waldverein fordert eine Systemänderung und das Ende der “Hirschzucht”.
Hittisau Der Vorarlberger Waldverein schlägt aufgrund der aktuellen TBC-Situation einmal mehr Alarm. „Nachdem in landwirtschaftlichen Betrieben Bestandskeulungen gemacht werden und wir auch Betriebe haben, in denen einzelne Tiere gekeult werden, muss auch das Rotwild einmal dichter untersucht werden. Vor allem in jenen Gebieten, von wo die Krankheit diesmal ausgegangen ist. Sobald die Untersuchungsergebnisse da sind, müssen dort Maßnahmen im Wildbereich folgen“, unterstreicht Waldverein-Obmann Klaus Schwarz. Die Forderung unterlegt er mit Fakten.

Wie aus der Abschussplanstatistik des Landes hervorgeht, wurden im Jagdjahr 1989/90 in Vorarlberg 1500 Stück Rotwild geschossen, 2023/24 waren es 3100 Stück. „Das zeugt davon, dass die Wildbestände massiv aufgezüchtet worden sind. Sie haben sich zumindest verdoppelt, sonst könnte man nicht nachhaltig jedes Jahr so viel schießen. Die Lebensräume haben sich sicher nicht vergrößert“, merkt Schwarz an. Der Waldverein pocht auf eine Systemänderung, “weg von einer ,Hirschzucht‘ und Trophäenausrichtung hin zu einer ökologischen Rotwildbewirtschaftung mit dem Lebensraum angepassten Wildbeständen”. „Wenn wir den Bestand von 1989 hätten, dann hätten wir relativ wenig Probleme“, ist der Waldverein-Obmann überzeugt.

Ein Vorzeigebeispiel ist die Jagdgenossenschaft Hittisau II. In dem knapp 1000 Hektar großen Gebiet gibt es seit 2017 keine Wildtierfütterung mehr. Grund für die Einstellung war ein massiver Wildverbiss im Wald. Klaus Schwarz zeigt von der Straße, die nach Sibratsgfäll führt, hinunter auf ein Feld, dorthin, wo früher die Wildfütterung stand. „Die Fichten auf der linken Seite sind so gut wie alle geschält. Es fallen immer wieder Bäume um, weil sie faul werden. Die Bäume überleben zwar relativ lange, sie sind aber fast nichts mehr wert. Der größte Teil dieses Bestandes gibt Hackgut“, führt er aus. Seit die Wildfütterung eingestellt wurde, hätte sich die Situation deutlich verbessert. „Vor allem in den Einstandsgebieten sieht man keine neuen Schäden, es ist auch eine Verjüngung da und man kann trotzdem nach wie vor nachhaltig Rotwild schießen“, zählt der Waldverein-Obmann auf. „Ich bin mir schon bewusst, dass man nicht in allen Kerngebieten auf eine Rotwildfütterung verzichten kann, weil man eine Lenkung braucht, aber es gibt viele Gebiete, in denen das möglich ist und man mit einer nachhaltigen Reduktion eine Beruhigung der Gesamtsituation bewirken kann.“ In Hittisau II werden pro Jahr mittlerweile zwischen 16 und 20 Stück Rotwild erlegt, was laut den Experten auf einen Bestand von 40 bis 50 Stück schließen lässt.

Wie das System geändert werden soll? Der Waldverein zählt auf: Wenn möglich, auf die Fütterung verzichten, andernfalls Fütterungen nur noch ohne Kraftfutter und mit Bewilligung. Die Abschusspläne erhöhen. Keine verpflichtende Ausstellung der Hirschgeweihe bei der Hegeschau. Die Abschusskontrollen mit zeitgemäßen Methoden bzw. digitalen Werkzeugen neu regeln. Hilfsmittel, mit denen zur Not eine rasche und effiziente Reduktion erreicht werden kann, ermöglichen. „Man kann nicht in den landwirtschaftlichen Betrieben ganze Bestände keulen und hier nichts tun“, unterstreicht Schwarz. Gefordert seien alle. „Wir meinen nicht, dass die Jäger ihre Arbeit nicht machen. Am System ist etwas falsch. Wir müssen versuchen, dieses System im Dialog in eine andere Richtung zu bringen. Wir sind nicht für eine Ausrottung des Rotwilds, sondern für eine gerechte Regulierung, damit alles funktionieren kann”, hält er fest.
