Wer neutral sein will, muss sich verteidigen
Österreich erklärte 1955 aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. 70 Jahre später währt sie immer noch als zentraler Bestandteil unserer Identität und der Verteidigungspolitik. Wer neutral ist, muss verteidigungsfähig sein, was in den vergangenen Jahren weniger ernst genommen wurde. Finanzielles Aushungern, Unruhe durch Reformansagen, aufgeschobene Investitionen haben dem Bundesheer zugesetzt. Mittlerweile scheint die Trendwende aber eingeläutet. Aufrüsten und investieren, lautet die Devise. Die Perspektiven stimmen, auch intern scheinen Militärs weitgehend zufrieden zu sein.
Daran ändern auch die Koalitionsverhandlungen nichts. Der Aufbauplan 2032+, der Investitionen von 16,6 Milliarden Euro vorsieht, müsste halten. Zwei Milliarden davon sind für Anschaffungen in der Luftabwehr gedacht, die im Rahmen des Projekts Sky Shield getätigt werden sollen.
Die Luftabwehr braucht es. Allerdings gibt es sie nur in erstaunlich dezimiertem Ausmaß. Derzeit ist Österreich gerade einmal in der Lage, entweder den Flughafen Schwechat oder Zeltweg zu schützen. Weitere kritische Infrastruktur wäre Luftangriffen nahezu ausgeliefert. Österreich steht nahezu ungeschützt da.
Umso mehr überrascht es, dass sich gerade die FPÖ von Sky Shield verabschieden möchte. Die Argumente, wonach es sich dabei um einen „Nato-Beitritt durch die Hintertür“ und eine „verheerende neutralitätspolitische Entscheidung“ (Zitate Herbert Kickl) handelt, halten nicht, zumal es sich bei Sky Shield um kein Verteidigungsbündnis handelt, sondern nur um eine Kooperation zu Beschaffung, Instandhaltung und Ausbildung. Von gemeinsamen Einsätzen ist keine Rede.
Österreich muss bei der Luftabwehr eigenständig handeln können. Damit das möglich ist, braucht es aber zuerst die Luftabwehr an sich. Die Republik kann ihr eigenes Süppchen kochen oder im Verbund vorgehen und von Kooperationen mit Staaten wie Deutschland profitieren. Glaubt man Militärexperten, wäre das nicht nur gut für die Sicherheit, sondern vor allem gut fürs Budget. Schaffen mehrere Staaten nämlich das gleiche Abwehrsystem an, skalieren sich die Kosten. Stichwort: Mengenrabatt. Bleibt Österreich allein, wird es teurer. Die Steuerzahler würden zusätzlich zur Kasse gebeten, ohne dass sie sich großen Mehrwert versprechen können. Kann man machen. Die Frage lautet nur: warum?
Wer Teil von Sky Shield ist, öffnet nicht die Tür zum Nato-Beitritt. Das ist illusorisch. Alle Bündnisstaaten müssten erst einem Beitritt zustimmen. Und noch wichtiger: das österreichische Parlament ebenso. Das Ende der Neutralität erfordert eine Zweidrittelmehrheit, die aus aktueller Sicht nicht zustande kommen würde.
Umso wichtiger wäre es, die Neutralität ernst zu nehmen und an der Verteidigungsfähigkeit der Republik zu arbeiten. Die Schweiz tut das auch – mit Sky Shield. Ohne Bedenken um die Neutralität, deren Bedeutung bei den Eidgenossen bekanntlich noch höher geschrieben wird, als bei uns.
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