100 Jahre Ernest Hemingway im Montafon: Ein Rückblick auf das Leben des umstrittenen Schriftstellers

Zum 100-jährigen Jubiläum von Ernest Hemingways Besuch im Montafon werfen die Experten Andreas Brugger und Günther Wolf im Posthotel Taube einen Blick auf sein bewegtes Leben und seiner besonderen Verbindung zum Montafon.
Schruns 100 Jahre ist es her, dass Ernest Hemingway das Montafon besuchte. Dieses Jubiläum wurde dieser Tage im Posthotel Taube in Schruns gefeiert – jenem Hotel, in dem Hemingway bereits damals nächtigte. Für den amerikanischen Schriftsteller war die Zeit im Montafon „die schönste Zeit meines Lebens“, zitierte Manuel Bitschnau, Geschäftsführer von Montafon Tourismus, aus Hemingways letztes Werk „Paris – Ein Fest fürs Leben“.


Ein Frauenheld
Die Hemingway-Experten Andreas Brugger und Günther Wolf gaben den Hoteliers aus dem Montafon Einblicke in das Leben des umstrittenen Schriftstellers. Hemingway war ein Frauenheld und viermal verheiratet. Er war leidenschaftlicher Skitourengeher, Hochseefischer und Jäger. Zweimal verbrachte er den Winterurlaub im Montafon und durchstreifte dabei die Silvretta mit seinen Tourenski. „Im Madlenerhaus ließ er sich eine Woche lang einschneien“, erzählte Wolf. Brugger ergänzte: „Er hat sich häufig verletzt, aber das Montafon hat er immer unversehrt verlassen.“ Hemingway stieg oft stundenlang in die unberührte Natur auf. Skigebiete gab es damals noch nicht – der Abfahrtsgenuss musste sich hart erkämpft werden. Als Ausgleich spielte Hemingway am Montafonertisch im Posthotel Taube mit hochrangigen Dorfbewohnern Poker – und trank.

Ein Freund von Hemingway, Bertram Hartmann, empfahl ihm das Montafon. Hier machte der Schriftsteller nicht nur Urlaub, sondern arbeitete auch an seinen Büchern und Kurzgeschichten. Erlebnisse aus seiner Zeit im Montafon ließ er in seine Erzählungen mit einfließen.


Zwischen einem Drei-Gänge-Menü im Posthotel Taube schilderten Brugger und Wolf immer wieder Episoden aus Hemingways Leben. Der 86-jährige Autor Günther Wolf beschäftigt sich bereits sein ganzes Leben mit dem Schriftsteller: „Hemingway hat alle mit seinem neuen Schreibstil in den Bann gezogen. Er hat großartige Bücher geschrieben. Doch er war damals schon ein Trinker.“


Vom Journalist zum Schriftsteller
Ernest Hemingway (1899–1961) hatte keine leichte Kindheit. Auf Befehl seiner dominanten Mutter musste er Frauenkleider tragen. Sein Vater brachte ihm die Natur näher und lehrte ihn das Jagen. Hemingway arbeitete als Journalist und hatte Freude am Schreiben. Sein Stil war knapp und präzise. Irgendwann „wechselte er die Seiten“, erzählte Brugger, und wurde Schriftsteller. Nun wurde er von Journalisten interviewt – was er sichtlich genoss. Er fühlte sich geschmeichelt und durchlebte einen „narzisstischen Höhenflug“. Er stellte sich besser dar, als er tatsächlich war. „Er versuchte, ein Bild von sich zu schaffen, das ihn größer und heldenhafter erscheinen ließ. Doch darunter litt er selbst“, schilderte Brugger Hemingways Persönlichkeit. Und Wolf fügte hinzu: „Er wollte immer der Erste sein – bei den Frauen wie auch auf den Skiern.“


Umstrittenes Denkmal
„Er war selbst schuld, dass er missverstanden wurde“, meinte Günther Wolf. Ein Problem war auch, dass er Fantasie und Realität vermischte. Vorwürfe gegen ihn, er hätte 122 Nazis ermordet, wurden wissenschaftlich widerlegt. Das Hemingway-Denkmal in Schruns war deshalb lange Zeit umstritten, blieb aber bestehen – zunächst neben dem Haus des Gastes, auf dem Privatgrundstück des Hotels Löwen, und schließlich seit diesem Winter in der Kirchplatz-Kurve, direkt gegenüber dem Posthotel Taube. Andreas Brugger bestätigte: „Ernest Hemingway wird im Montafon kritisch gesehen. Er war eine viel verletzlichere Persönlichkeit, als er sich selbst dargestellt hat.“

Archivar Andreas Brugger las aus seinem Essay Hemingway 2061 und brachte damit die Meinung zu Hemingway im Montafon auf den Punkt: „Hemingway wurde im Montafon in den Jahrzehnten nach seinen Aufenthalten zuerst lange Zeit vergessen, dann langsam etwas verehrt, später teilweise verdammt und schließlich zumindest etwas geliebt.“

1954 erhielt Hemingway den Nobelpreis für Literatur. 1961 nahm er sich mit einer Schrotflinte das Leben.

