Schuld am Unfalltod war nicht der „Tote Winkel“

Radfahrer von Lkw erfasst und getötet: Berufungsverhandlung endete diesmal nicht mit Freispruch.</p>
feldkirch Am Vormittag des 22. Mai 2023 kam es auf einer Kreuzung in Lauterach zu einem tragischen Unglück. Die Ampel stand auf Grün. Dennoch musste ein 51-jähriger Lkw-Lenker seinen Sattelzug verkehrsbedingt anhalten, um einem Pkw vor ihm das Linksabbiegen zu ermöglichen.
Dreizehn Sekunden lange stand sein Schwerfahrzeug. Dann setzte der Fahrer den Lkw wieder in Bewegung und bog nach rechts ab. Das Verhängnis: Zum selben Zeitpunkt war ein 55-jähriger Radfahrer rechts von ihm mit 20 km/in Richtung Bregenz unterwegs. Der Mann wurde vom Zugfahrzeug niedergestoßen und vom Vorderreifen überholt. Er starb noch an der Unfallstelle.

Beschuldigt der fahrlässigen Tötung, musste sich der Lkw-Lenker später am Bezirksgericht Bregenz verantworten. Damals, vor diesem Erstgericht, konnte er noch glaubhaft vermitteln, dass er den Radfahrer aufgrund des „Toten Winkels“ nicht wahrgenommen habe.
Der “Knick”
Um mit dem Sattelzug auf der schmalen Fahrbahn dieser Kreuzung nach rechts abbiegen zu können, hätte er geblinkt und zunächst etwas nach links ausholen müssen. In diesem Augenblick sei der Radfahrer auf dem rechten Außenspiegel nicht erkennbar gewesen. Ein Freispruch wurde gefällt.
Neuerliche Gutachten
Doch die Staatsanwaltschaft ging gegen den Freispruch in Berufung und meldete Nichtigkeitsbeschwerde an. Sämtliche Parameter zur damaligen Situation auf der Kreuzung wurden neuerlich konkret erörtert und weitere Gutachten erstellt. Auch unmittelbare Zeugen des tragischen Geschehens sind einvernommen worden.
Bei der Berufungsverhandlung am Landesgericht Feldkirch am Montag beteuerte der erneut Beschuldigte nach wie vor: „Ich bin erfahrener Lkw-Lenker und habe auch damals in den Außenspiegel geschaut. Aber um die Kurve bewältigen zu können, musste ich, wie schon gesagt, nach links ausholen, worauf sich der Radfahrer meinem Blickwinkel entzog.“
Präzise Expertise
Nun hatte inzwischen auch der bekannte verkehrstechnische Gutachter Christian Wolf eine präzise Expertise zum Unfallgeschehen und dessen Rekonstruktion erstellt. Er kam zum Schluss, dass der Angeklagte den Radfahrer hätte sehen müssen. Belastend für den Beschuldigten war die Aussage einer Augenzeugin, nach der der Lkw-Fahrer nicht nach links ausgeschert sei. Dies sei auch aufgrund des massiven Gegenverkehrs, der zu diesem Zeitpunkt auf der Kreuzung herrschte, nicht möglich gewesen.
Teilbedingte Geldstrafe
Die Vorsitzende des Berufungsgerichts, Landesgerichtspräsidentin Angelika Prechtl-Marte, verkündigte nach kurzer Beratung das neuerliche, endgültige Urteil: Schuldig des Vergehens der fahrlässigen Tötung. Begründung: „Mangelnde Aufmerksamkeit. Es wäre Ihnen möglich und zumutbar gewesen, den Radfahrer im Seitenspiegel zu erkennen.“ Die Strafe wurde im Sinne der Anklage mit einer Geldstrafe in der Höhe von 4800 Euro bemessen, die Hälfte davon auf Bewährung.