“Opfer schweigen oft jahrelang“

Psychotherapeutin Ruth Rüdisser zum aktuellen Prozess um angeblichen sexuellen Missbrauch durch einen Ex-Polizisten.
Feldkirch Die Mauer des Schweigens ist sehr schwer einzureißen. Doch weshalb? Ruth Rüdisser, klinische und Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin, arbeitete viele Jahre mit Opfern von sexueller Gewalt und kennt die Antwort.
„Manchmal erzählen die Kinder lange nichts, weil die Gewalt im engsten Familienkreis passiert und sie gar nicht begreifen können, warum ihnen das angetan wird. Manchmal versuchen sie, kleinere Geschwister zu schützen. Sie möchten verhindern, dass denen das Gleiche passiert. Oder sie versuchen, die Mama zu schützen, es ist, als ob die Kinder instinktiv wissen, dass sich die Mama furchtbar sorgen würde. Fast immer sind Gefühle von Schuld und Scham beteiligt.“
Doch warum erzählen Opfer erst viel später (oft Jahre später) von den erlebten Übergriffen? Rüdisser: „Es kann sein, dass die erlebten Traumata auch im erwachsenen Alter noch nachwirken und Leid verursachen, zum Beispiel Albträume, Schlafstörungen, Angstzustände oder andere – auch körperliche – Symptome. Im Zuge der Aufarbeitung kann die inzwischen erwachsene Person entscheiden, ob sie das Erlebte aufdecken und es unter Umständen auch noch zur Anzeige bringen will.