Deswegen wird sich der Bodensee schon bald total verändern

VN / 01.04.2025 • 14:11 Uhr
Quagga-Muschel
Quagga-Muscheln am Bodenseeufer. Die invasive Tierart breitet sich explosionsartig aus und bedroht nicht nur Fische. VN/Serra

Die Quaggamuschel hat das Schwäbische Meer im Würgegriff. Sie wird das Öko-System kippen.

Bregenz In Gummistiefeln stapft Alexander Düregger (35), Gewässerökologe beim Vorarlberger Umweltinstitut, im seichten Wasser am Molo-Ufer. Er schabt klebrige Lebewesen von den großen Steinen, gibt sie in einen Plastikbehälter. “Das sind Quaggamuscheln. Es ist alles voll davon”, kommentiert der Experte seine Aktivität.

Quagga-Muschel
Alexander Düregger vom Vorarlberger Umweltinstitut muss nicht lange suchen, um große Mengen von Quaggamuscheln zu finden.

Die Quagga-Muschel bedeutet für den Bodensee eine Zäsur, eine bedrohliche Zeitenwende. Die invasive Tierart, die aus der Schwarzmeergegend eingeschleppt und im Jahre 2016 zum ersten Mal im Bodensee registriert wurde, entzieht dem Gewässer massiv Nährstoffe, vor allem das für mehrere Fischarten lebenswichtige Plankton. Betroffen davon unter anderem das Felchen. “Der Bestand wird noch mehr zurückgehen”, weiß Nikolaus Schotzko, Fischerei-Beauftragter des Landes Vorarlberg.

Quagga-Muschel
So schauen sie aus, die Quaggamuscheln. Sie haben schon große Teile des Bodensees in Besitz genommen.

Schwimmende Larven

“Wir müssen uns auf eine Veränderung des Öko-Systems einstellen”, sagt Düregger. Die Quaggamuschel vermehrt sich explosionsartig. Sie nimmt nicht nur das Ufer in Besitz, sondern kann sich auch in großer Tiefe ansiedeln und bei großer Kälte reproduzieren. Die Verbreitung findet zu allen Jahreszeiten statt, die im Wasser frei schwimmenden Larven durchdringen alle Schichten des Sees.

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“Es deutet vieles drauf hin, dass wir eine Entwicklung wie beim Michigan See in Nordamerika erleben. Dort wurden die Plankton fressenden Fischarten massiv zurückgedrängt, das Gewässer hat sich ökologisch total verändert”, zeichnet Düregger ein düsteres Bild. Es gebe bisher kein Anzeichen dafür, dass die Verbreitung der Quagga-Muschel im Bodensee gestoppt werden könne.

Quagga-Muschel
Gelegentlich machen sich Enten am Ufer an die Quaggamuscheln ran. Doch deren rasante Verbreitung können sie nicht verhindern.

Exponentielle Vermehrung

Das Gegenteil ist der Fall. “Die Muschel vermehrt sich exponentiell. Der Bestand könnte schon in ein paar Jahren das bis zu Zwanzigfache des jetzigen Vorkommens betragen. Bis zu 50.000 Muscheln auf einem Quadratmeter sind dann möglich”, erläutert Düregger ein Szenario, das nicht nur den Fischern am Bodensee kalte Schauer über den Rücken jagt.

Die Quaggamuschel löst im Bodensee die Zebramuschel ab. Letztere hatte sich in den vergangenen Jahren ebenfalls sehr stark verbreitet. Und doch bestehen wesentliche Unterschiede: Die Quaggamuschel vermehrt sich auch in großer Tiefe und das ganze Jahr hindurch, während die Zebramuschel in den Monaten Mai bis September ihre Reproduktionsaktivitäten entfaltet und nur bis zu 40 Meter Tiefe zu finden ist. Kommt hinzu, dass die Quaggamuschel jedes Substrat besiedeln kann, die Zebramuschel auf Hartsubstrat angewiesen ist.

ABD0005_20240919 – LANGENARGEN AM BODENSEE – DEUTSCHLAND: 16.09.2024, Baden-WŸrttemberg, Langenargen Am Bodensee: Mehrere Rotaugen werden im Auftrag der Fischereiforschungsstelle Langenargen im Netz aus dem Bodenseegefangen gezogen. Die Rotaugen wurden am frŸhen Morgen mit einem Netz gefangen. Der gesamte Fang ist Teil einer Fisch-Bestandsaufnahme, die die FFS alle fŸnf Jahre macht. (zu dpa: ÇBodensee-Inventur: RŠtsel um […]
Rotaugen werden nach dem Rückgang der Felchen immer mehr als Speisefisch aus dem See geholt. Die Rotaugen selbst verspeisen gerne auch Quaggamuscheln. Nur halt zu wenige. dpa

Wenig natürliche Feinde

Natürliche Feinde hat die Quaggamuschel wenige. Zu wenige. Das Rotauge etwa frisst die invasive Tierart in nicht ausreichender Zahl, am Ufer kann man gelegentlich Enten beim Verspeisen des Bodensee-Störenfriedes beobachten. Je tiefer die Besiedelung im Wasser stattfindet, desto weniger werden die natürlichen Feinde.

Um die Ausbreitung auf andere Seen zu verhindern, ist mittlerweile eine genaue Reinigung von Freizeitbooten, die von einem Gewässer in ein anderes verlegt werden, vorgeschrieben. Die Muscheln haften sich sehr gerne am Rumpf von Booten an. So können sie leicht in andere Seen gelangen.