Drogenkontrollen im Verkehr: “Einfach ein Skandal!”

VN / 03.06.2025 • 17:18 Uhr
Drogenkontrolle
Polizisten begutachten während einer Verkehrskontrolle das Ergebnis eines Speichelvortests. vn/steurer

Laut Hochrechnung sind in Vorarlberg über das Jahr 12.500 Kfz-Lenker „high“ unterwegs. Doch wo liegt der Grenzwert für behördliche Sanktionen?

Schwarzach In der vergangenen Woche wurden in ganz Vorarlberg Schwerpunktkontrollen der Polizei im Frühverkehr durchgeführt. Im Fokus standen Alkohol und Drogen. Diese “Aktion scharf” endete mit einer bemerkenswerten Bilanz: So wurden an nur einem Vormittag neun suchtgiftbeeinträchtigte Kfz-Lenker aus dem Verkehr gezogen (die VN berichteten). Ebenso viele Führerscheine flatterten anschließend in die zuständigen Bezirkshauptmannschaften.

“Dunkelfeldstudie Drogen”

Seit dem Jahr 2017 hat die Verkehrspolizei in Österreich neben alkoholisierten Fahrern auch sogenannte “Drogenlenker” im Visier. Damals wurde der Speichelvortest eingeführt. Seitdem hat sich die Anzahl der überführten Drogensünder am Steuer in Österreich fast vervierfacht. In der Regel werden mindestens folgende fünf Substanzen detektiert: Cannabis, Opiate, Kokain, Amphetamine und Methamphetamine.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Sonstige angezeigt.

Das Kuratorium für Verkehrssicherheit erstellte im Vorjahr eine “Dunkelfeldstudie Drogen”. Demnach haben im Jahr 2024 fünf Prozent der Befragten unter Drogeneinfluss einen Pkw gelenkt. Das sind hochgerechnet 250.000 Personen in Österreich, nach Prozentsatz pro Bundesland aufgeschlüsselt wären dies 12.500 Drogenlenker in Vorarlberg.

Drogenkontrollen im Verkehr: "Einfach ein Skandal!"
Martin Pfanner (Kuratorium für Verkehrssicherheit): “Bei der Arztsuche vergeht oft wertvolle Zeit.”

Problem Arztsuche

Aber auch das KfV muss eingestehen: Speichelvortests gelten nicht als gesicherter Beweis. “Grundlage der Strafbarkeit im Straßenverkehr ist in Österreich aber nicht der bloße Konsum von Drogen, sondern die tatsächliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit, die mittels ärztlichem Gutachten festgestellt wird”, erklärt Martin Pfanner vom Kuratorium für Verkehrssicherheit Vorarlberg.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Sonstige angezeigt.

Deshalb wird den Verdächtigen auch Blut abgenommen, wobei es vor allem am Wochenende, mitten in der Nacht und auf dem Land oft gar nicht so einfach ist, einen Arzt hinzuzuziehen. Zudem vergeht bei der Arztsuche oft wertvolle Zeit, die Polizisten nicht haben.

Bernhard Amann
Bernhard Amann (Ex & Hopp) betreut über 50 Führerscheinklienten. vn/steurer

Bernhard Amann: “Untragbarer Zustand”

Bei Bernhard Amann, Obmann der Drogenberatungsstelle “Ex & Hopp”, melden sich täglich Menschen, die unter Tags aus dem Verkehr gezogen werden. Aktuell betreut Amann mehr als 50 Führerscheinklienten. Und hält sich mit Kritik nicht zurück: “Schon vormittags finden inzwischen unter großem Aufwand Fahrzeugkontrollen im Rheintal statt. Dabei stehen Menschen im Fokus, die am Vorabend Cannabis konsumierten. Der Großteil dieser Fahrzeuglenker/innen weist jedoch in der Regel einen Wert von bis zu fünf Nanogramm THC auf. Wenn wir nun die Beeinträchtigung von 0,5 Promille Alkohol mit der Beeinträchtigung von Cannabis vergleichen, wäre dies ein Wert von 8 Nanogramm/l”, führt Amann aus und führt ein Beispiel an: “Der Proband weist bei einer Anhaltung am 30. Juli 2024 einen Wert von 1,3 ng/l auf. Dies wäre ein Alkoholwert von 0,09 Promille. In der Folge schlägt der Gesetzgeber voll zu und behandelt die Betroffenen analog zu 1,6 Promille Alkohol. Der Betroffene muss nun ein Verkehrscoaching absolvieren, ein verkehrspsychologisches und psychiatrisches Gutachten einholen. Anschließend wird nach einer amtsärztlichen Untersuchung die weitere Vorgehensweise festgelegt.”

In der Regel würden monatliche Harntests und eine psychologische Begleitung/Betreuung durch eine Drogenberatungsstelle für ein Jahr vorgeschrieben. Mit jeweiligen Bestätigungen alle drei Monate durch den/die Psychiater/in. Der Führerschein wird für einen Monat entzogen. Er bleibt jedoch bei der Bezirkshauptmannschaft, bis die vorgenannten Untersuchungen abgeschlossen sind. Und dies dauert bis zu sechs Monaten, da die Wartezeiten für die Gutachten teilweise erheblich sind. Die Kosten belaufen sich auf 3.000 bis 5.000 Euro. Auch der volkswirtschaftliche Schaden wie Arbeitsplatzverlust oder Rauswurf von Bildungseinrichtungen ist enorm. Der Stress innerhalb der Familien ist ebenfalls Fakt. “Diese Ungerechtigkeit schreit zum Himmel!”, so Amann.

“Drogenpolitik in der Steinzeit”

Laut dem Ex & Hopp-Obmann habe die ehemalige zuständige Verkehrsministerin Leonore Gewessler diese Ungerechtigkeit ignoriert. Innenminister Gerhard Karner lehne sogar jede Diskussion über die Festlegung eines Grenzwertes ab. “Während in den umliegenden Ländern ein Grenzwert obligatorisch ist, befindet sich Österreich drogenpolitisch in der Steinzeit.”

Haarproben

Und noch etwas ärgert Amann: “Seit einem halben Jahr werden Probanden bei den Bezirkshauptmannschaften von Bludenz und Feldkirch ein halber Zentimeter Haarbüschel abgeschnitten, um Drogenkonsum nachzuweisen. Damit offenbart sich jedoch die ganze Lebenskultur der Betroffenen, da somit jegliche Substanzen, auch Medikamente, nachweisbar sind. Ein untragbarer Zustand”, so Amann, der fordert:

  • Festlegung eines Grenzwertes von 5 ng/ml für THC im Blut (THC = psychoaktiver Wirkstoff von Cannabis) = (5 ng/ml = 0,3 Promille Alkohol)
  • Das Führerscheinentziehungsverfahren darf erst nach Vorliegen der Blutanalytik eingeleitet werden.
  • Reduzierung der Gebühren für Blutanalytik von EUR 880,00 auf das deutsche Niveau von ca. EUR 250,00.
  • Verkehrspsychologische und psychiatrische Stellungnahme nur bei gleichzeitig gefährlichem Fahren.
  • Keine gleichzeitige Doppelbestrafung (Fahren im beeinträchtigten Zustand und Besitz von Cannabis).
  • Schulung der mit dem Thema befassten Behörden.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Sonstige angezeigt.

Kuratorium kontert

Diesen kritischen Worten Amanns konterte das KfV gegenüber den VN erwartungsgemäß mit einer gepfefferten Stellungnahme: “THC wirkt stark psychoaktiv und sorgt für eine berauschende Wirkung. Alkoholisierte Personen am Steuer gefährden ebenso die Verkehrssicherheit wie durch THC beeinträchtigte Personen.”

Der Vergleich eines bestimmten THC-Wertes im Blut mit einer bestimmten Alkoholkonzentration im Blut könne gar nicht hergestellt werden, da es keine Studien gebe, die einen bestimmten Umrechnungsfaktor belegen.

Die Verstoffwechselung von THC verlaufe zudem anders als die von Alkohol. Alkohol werde linear abgebaut, was eine Berechnung des Abbaus vereinfacht. THC unterliege hingegen anderen Abbaumechanismen im Körper und werde nicht linear abgebaut. Überdies reichert sich THC bei regelmäßigem Konsum im Gewebe an und führt dadurch auch zu anderen Blutkonzentrationen (da es aus dem Fettgewebe mit der Zeit in den Blutkreislauf wieder abgegeben wird) als bei gelegentlichen Konsumenten.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Sonstige angezeigt.

Kein festgelegter Grenzwert

Überdies gebe es in Österreich keinen festgelegten Grenzwert bei THC. Entscheidend sei die Beeinträchtigungsfeststellung durch einen Arzt bzw. eine Ärztin. Die Blutprobe diene lediglich zur Validierung der ärztlichen Einschätzung. In dem Moment, wo Blut abgenommen wird, wurde also bereits aus ärztlicher Sicht eine Fahruntüchtigkeit festgestellt.

Als Beweis für das Vorhandensein von Drogen im Körper sollte laut Forderung des KfV künftig eine Speichelprobe dienen, die nach der Abnahme in einem Labor ausgewertet wird. Für die Abnahme vor Ort ist kein medizinisches Personal notwendig, daher könnten durch diese Methode zur Verbesserung der Verkehrssicherheit deutlich mehr Tests durchgeführt werden.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.