
Gipfel in Flammen: Dieser Mann steckt hinter dem leuchtenden Brauch im Montafon
Dunkle Wolken, roter Himmel und glühende Gipfel: Seit 25 Jahren organisiert Walter Zudrell das Sonnwendfeuer am Hochjoch und entzündet jedes Jahr die Fackeln auf dem Sennigrat bis zum Kreuzjoch. Die VN hat ihn begleitet.
Schruns Der Himmel glüht. Der Regen, der in Bludenz fällt, wird von der untergehenden Sonne angestrahlt und beschert den Gästen am Hochjoch ein atemberaubendes Farbspektakel. Auf den umliegenden Gipfeln leuchten kleine Fackeln. Das Sonnwendfeuer am Hochjoch ist Tradition. Seit 25 Jahren sammelt Walter Zudrell für das Sonnwendfeuer am Hochjoch Wachs für die Fackeln, die von Heinz Mark und Günther Fleisch gebaut werden, zeichnet einen Plan, wo die Fackeln platziert werden sollen, trommelt seine Schrunser Freunde – viele davon sind oder waren Mitglied bei der Feuerwehr – zusammen und zieht mit ihnen zur Sonnenwende los, um die Fackeln aufzustellen.

„Seit 45 Jahren mache ich das schon“, sagt Walter Zudrell draußen am Tisch vor der Wormser Hütte. Begonnen hat er im Silbertal, seinem Heimatort. Zuerst zündete er nur ein Bergfeuer an. 1989 gelang es ihm erstmals, den Grat zwischen Lobspitze und Fellimännle zu beleuchten. Als er nach Schruns zog, widmete er sich dem Sennigrat und Hochjochgrat.


Die „Bergfreunde Silbertal“, ein Verein, den er gegründet hat, kümmern sich weiter um die Feuer im Silbertal. „Seit ich in Schruns wohne, überlasse ich das denen“, sagt Walter Zudrell. Insgesamt 108 Kerzen hat er gesammelt: 55 Kerzen stehen am Hochjoch und Sennigrat, weitere 40 im Silbertal.


Jedes Feuer genau dokumentiert
Walter Zudrell ist 67 Jahre alt und hat immer seinen Holzstock dabei. „Als drittes Bein“, fügt er an. Trotz dieses Wanderstocks muss er trittsicher und schwindelfrei sein. 30 Schritte sind es bis zur nächsten Fackel. Dabei geht es über teils ausgesetzte Gratabschnitte und felsiges Gelände. Der ehrenamtliche Wegewart ist für den Abschnitt bis zum Kreuzjoch zuständig. Zehn Fackeln muss er bis dorthin platzieren – wo genau, das steht auf seinem selbst gezeichneten Plan. Jedes Sonnenwendfeuer dokumentiert er in einer Tabelle mit Datum und Wetter. In all den Jahren ist das Sonnwendfeuer erst siebenmal abgesagt worden – unter anderem letztes Jahr wegen eines Gewitters.


Wetter ist das größte Risiko
Der Himmel ist dunkel. Es donnert. Man sieht den Regen in der Silvretta, im Rätikon und im Klostertal. Das Hochjoch liegt genau dazwischen. Doch Walter Zudrell ist optimistisch, dass das Sonnwendfeuer stattfinden kann. Und er liegt meistens richtig mit seiner Prognose. Ganz verschont bleiben die Gäste jedoch nicht, denn ein kleiner Schauer erwischt sie trotzdem. „Einmal hat es geschneit. Da erlebt man viel vom Wetter her. Das kann sich hier so schnell ändern“, erzählt der Silbertaler, der als Werksmaler bei den illwerken vkw gearbeitet hat, bevor er in Pension ging.


Zunächst stärken sich die zehn Schrunser mit einem deftigen Abendessen auf der Wormser Hütte. Zwei von der Bergrettung machen sich schon früher Richtung Hochjoch auf. Sie steigen eine steile Grasrinne bis kurz unterhalb des Gipfels hinauf. Walter Zudrell, Markus Battlogg und Lukas Beck starten um 20.15 Uhr. Sie haben den Regen abgewartet. Walter Zudrell zieht sich eine dickere Jacke und eine Mütze an. Schließlich hat es auf der Wormser Hütte nur elf Grad.


Sie platzieren die Kerzen, wenn möglich, vor einem Stein, damit das Licht besser reflektiert wird, und zwei Meter unterhalb des Grates, damit man die Kerzen vom Tal aus besser sieht. Auch ist es dort windstiller. Mit einem Gasfeuerzeug zünden Lukas, Manfred und Markus die Kerzen an. Früher bestanden die Fackeln aus Heizöl, heute aus Wachs, die rückstandslos abbrennen. Von Hotels, Gasthäusern und vom Bauhof bekommt Walter Wachsreste. Diese werden geschmolzen und anschließend zu neuen Kerzen gegossen.



420 Mal auf dem Hochjoch gestanden
Früher hat Walter Zudrell immer selbst noch das Hochjoch beleuchtet. Doch jetzt schafft er das nicht mehr: „Ich war drei Jahre krebskrank“, sagt der 67-Jährige. Daher sei er „noch nicht imstande, auf das Hochjoch zu gehen“. Dabei stand er auf seinem Lieblingsberg bereits 420 Mal. „Solange wie ich kann und Kollegen habe, die mit mir gehen“, macht er weiter.


Um 21.30 Uhr sind alle Feuer entzündet. Das ist wichtig, da so die Männer schnell aus dem Gefahrenbereich herauskommen und noch im Hellen wieder absteigen können. „Wenn alle wieder unten sind, melde ich mich bei der Bergrettung. Sicherheit hat oberste Priorität“, so Walter Zudrell.


Brauchtum weitergeben
Das Sonnwendfeuer am Muttjöchle richtet beispielsweise eine Familie aus, was Walter freut – so geben die Erwachsenen das Brauchtum weiter. Auch bei den „Bergfreunden Silbertal“ sind einige Jüngere dabei. Und so werden auch in den nächsten Jahren die Sonnwendfeuer auf den Montafoner Gipfeln zu sehen sein.



