Ein Husarenstück der Rettungskräfte

Karrenseilbahn-Havarie: So dramatisch liefen die Stunden der Bergung der Passagiere ab. Ortsstellenleiter Klaus Drexel war dabei.
Darum geht’s:
- Sturm löste Notsituation bei Karrenseilbahn aus
- 19 Personen und ein Hund in Gondel gefangen
- Rettungskräfte evakuierten Passagiere erfolgreich in sechs Stunden
Dornbirn
„Dieser Einsatz war voller Herausforderungen und Hürden, wie sie ihn die Rettungskräfte selten erlebt hatten“, sagt Klaus Drexel, Ortsstellenleiter der Bergrettung Dornbirn. Eine Notsituation bei der Karrenseilbahn hielt am Montag ganz Vorarlberg in Atem. Bis in die Abendstunden. Drexel war bei der Bergeaktion, die an Dramatik kaum zu überbieten war, mit dabei. Ein starker Windstoß hatte zur Entgleisung eines der beiden Tragseile sowie des Zugseils der Karrenseilbahn geführt. Beide Gondeln wurden sofort angehalten. Während die talseitige Kabine leer war, befanden sich in der bergseitigen Gondel 19 Personen und ein Hund.
Verabschiedet
Die Kabine hing nur noch an einem Tragseil und wurde vom starken Wind durchgerüttelt. „Dazu Stillstand und unten gähnende Tiefe. 150 Meter bis zum Boden. Und nicht zu wissen, was als Nächstes passiert. Das muss man sich als Passagier mal vorstellen“, schildert Drexel die psychische Ausnahmesituation, der die Fahrgäste ausgesetzt waren. In der Gondel herrschten Panik und Todesangst.
Wie die VN erfuhren, hätten Fahrgäste per WhatsApp an Verwandte geschrieben und sich bei ihnen vom Leben verabschiedet. Dem Vernehmen nach war jedoch ein beherzter Mann unter den Passagieren, dem es gelang, die Leute ein wenig zu beruhigen.
Auf dem Dach abgesetzt
Inzwischen hatte auch das Kriseninterventionsteam per Lautsprecher Kontakt mit den Fahrgästen aufgenommen. „Wir selbst wurden zunächst nur darüber informiert, dass es ein Problem bei der Karrenseilbahn gebe, erst vor Ort wurden wir uns über die Situation klar“, schildert Drexel weiter. Eine Situation, die rasches Handeln erforderte. Doch wie agieren? Nach einem Erkundungsflug durch den Helikopter war klar: Eine Bergung der Insassen per Hubschrauber war aufgrund der Verhältnisse zu riskant. Also griff man zur einzigen durchführbaren Option. Der Betriebsleiter der Seilbahn und zwei Bergretter (unter ihnen ein Notarzt) wurden vom Hubschrauber auf das Dach der Gondel abgesetzt, begaben sich durch die Dachluke zu den verzweifelten Fahrgästen, beruhigten sie und legten ihnen das Bergegeschirr an.
“Denn sie konnten nur durch die offene Tür der Kabine nach unten abgeseilt werden“, so Drexel. „Und da war schon das nächste Problem. Wir mussten über ein steiles Waldstück mit Geländewagen bis zur Bergstation fahren, doch der Weg war mit umgestürzten Bäumen verlegt. Die mussten wir mithilfe von Feuerwehr und der Forstabteilung erst beiseiteschaffen. Anschließend stiegen wir zur Stelle unmittelbar unter der Gondel ab. Dort mussten noch Bäume gefällt werden, um eine Lichtung zu schaffen, durch die wir die Passagiere abseilen konnten.“
Dies geschah erfolgreich. In sechs Stunden wurden sämtliche Personen auf diesem Wege in Sicherheit gebracht. „Es war eine Herausforderung für die Einsatzkräfte in der Gondel. Den Fahrgästen musste in die Augen geschaut werden. Bloß nicht nach unten blicken. Niemand machte Schwierigkeiten.“
Ein zu kleiner Hund
Außer, was den Hund in der Kabine betraf. „Um den kümmerte sich Nadine Greber, Ortsstellenleiterin der Bergrettung Bregenzerwald. Allerdings erwies sich das Bergegeschirr zu groß, weil wir nicht wussten, wie klein der Vierbeiner war. Also wurde er einfach in einen Sack gesteckt und nach unten abgeseilt. Er hat fürchterlich gejault“, erzählt Drexel.
Glücklicherweise hatte unter den Passagieren niemand einen Drang zur Toilette verspürt.
Passagiere geschockt
Um 21.52 Uhr wurde die letzte Person aus der Gondel geborgen. Sie hatte somit sieben Stunden in dieser beklemmenden Lage ausgeharrt. „Die Passagiere sind geschockt. Sie müssen derzeit noch vom Kriseninterventionsteam betreut werden“, so der leitende Bergretter weiter, der den Einsatzkräften größtes Lob ausspricht.
Mit den Bergrettungen von Dornbirn, Hohenems, Bezau und Bregenz, der Feuerwehr, dem Roten Kreuz, dem Kriseninterventionsteam und der Polizei waren mehr als hundert Rettungskräfte am Einsatz beteiligt. Einem Einsatz mit glücklichem Ausgang.