Die Mili wird 200 Jahre alt: “Es ist wie eine große Familie”

VN / 19.08.2025 • 10:00 Uhr
Die Mili wird 200 Jahre alt: "Es ist wie eine große Familie"
Gustl und Ursula Stöhr haben seit 30 Jahren eine Saisonkarte.

Das ehemalige Militärbad ist kein Bad wie jedes andere – was es für die Stammgäste so besonders macht.

Bregenz Im Sommer wegfahren? Gustl Stöhr winkt ab. „Das wäre doch schade“, sagt er und lacht. Wenn man den 78-Jährigen und seine Frau Ursula zwischen Mai und September sucht, dann findet man sie in der „Mili“. Die beiden sind seit 30 Jahren Stammgäste in dem Traditionsbad in der Bregenzer Bucht. „Wir wohnen vis-à-vis und kommen wegen jeder Stunde, die offen ist, herunter. Hier zu schwimmen ist einmalig. Ich war schon in der Schulzeit in den 60er-Jahren ein Mili-Geher. Als ich ins Ausland gegangen bin, habe ich gesagt, wenn ich zurückkomme, dann kommt nur ein Wohnsitz in der Nähe der Mili infrage“, erzählt der gebürtige Niederösterreicher.

Die Mili wird 200 Jahre alt: "Es ist wie eine große Familie"
Mili-Bademeister Thomas Wildner trägt die Mili auch auf den Badeshorts.

Die Mili ist kein Bad wie jedes andere – sie ist eine Institution. Dieses Jahr feiert sie ihr 200-jähriges Bestehen. Da früher nur wenige Menschen schwimmen konnten, ließ das Militär 1825 die Bregenzer Militärschwimmschule für die Soldaten errichten. Im Volksmund wurde die Einrichtung liebevoll Mili genannt. Seit 1920 durften auch die Mitglieder des neu gegründeten Bregenzer Schwimmclubs dort trainieren. Heute ist die Mili die älteste Badeanstalt am Bodensee.

Die Mili wird 200 Jahre alt: "Es ist wie eine große Familie"
Studentin Anna Moosmann (23) arbeitet schon den fünften Sommer in der Mili.

„Die Mili kann man schwer beschreiben. Es ist einfach ein funktionierendes System, wie eine große Familie – Jung und Alt. Man begegnet sich mit gegenseitigem Respekt. Es funktioniert einfach. Man kennt sich, es gibt keine Platzordnung, aber trotzdem hat jeder seinen Platz, egal welche Gesellschaftsschicht. Das spielt überhaupt keine Rolle. Es ist ein spezielles Bad“, versucht Bademeister Thomas Wildner seinen Arbeitsplatz in Worte zu fassen. Für Wildner ist es der 15. Sommer in der Mili, davor war er fünf Jahre lang im Strandbad.

Die Mili wird 200 Jahre alt: "Es ist wie eine große Familie"
Ingeborg und Rudi Sams an ihrem Stammplatz.

Die Liegebereiche heißen Afrika, Drachenfels oder Sonnendeck – wer wo liegt, ist eine Frage des Alters. Kinder und Jugendliche findet man oben rechts, Studenten und Co. bis circa 40 Jahre oben links. Irgendwann wandert man runter nach Afrika und je älter man wird, desto mehr zieht es einen zum Drachenfelsen.

Die Mili wird 200 Jahre alt: "Es ist wie eine große Familie"
Der Kühlschrank wird von den Badegästen selbst verwaltet. Gustl Stöhr hat hier den Prosecco für die Essrunde eingekühlt.

Der Platz von Ingeborg (63) und Rudi Sams (56) aus Hohenweiler ist in Afrika. Erste Reihe, fußfrei. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. “Du musst um zehn Uhr hier sein, damit du diesen Platz hast”, unterstreicht Ingeborg Sams. Die Saison beginnt für die Sams’ mit dem Anschwimmen am 1. Mai. Zu Hause hängt ein Kalender, in dem nach jedem Besuch ein Kreuzchen gemacht wird. “Heuer kommen wir sicher auf 50 Badetage”, schätzt die Hohenweilerin. Was die Mili für sie ausmacht? “Es ist diese unendliche Weite”, schwärmt Ingeborg Sams und zeigt hinaus in Richtung See. “Außerdem ist es sehr familiär, die Bademeister sind sehr freundlich, es gibt ein gutes Miteinander, du triffst deine ganzen Sommerfreunde, die du im Winter mitunter überhaupt nicht siehst oder hörst – und natürlich das Schwimmen.”

Die Mili wird 200 Jahre alt: "Es ist wie eine große Familie"
Ronald Schneider (63) bei den letzten Vorbereitungen für das 200-Jahre-Fest der Mili-Familie. Der Bregenzer ist praktisch in der Mili aufgewachsen. Sein Vater, Hans-Peter Schneider, war viele Jahre Bademeister. Außerdem ist Roland Schneider Gründungsmitglied des Wasserballvereins.

Auf der gegenüberliegenden Seite, am Drachenfelsen, ist der Stammplatz von Gustl und Ursula Stöhr. Nach und nach trudeln auch die anderen Mitglieder der Essrunde ein. „Wir sind sechs Leute. Es gibt auch immer einen Prosecco dazu. Die Damen kommen her, weil man am Nachmittag Karten spielt. Das ist eine eingeschworene Runde. Wenn die Saison hier zu Ende ist, dann setzen wir das für unsere Tischrunde jeden Dienstag bei uns zu Hause fort“, schildert Gustl Stöhr.  

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Die älteste Besucherin: Grete Schatzmann.

Auch der älteste Mili-Stammgast ist bereits voll in seinem Element: Grete Schatzmann, 93 Jahre alt. Die Wienerin, die mit einem Bregenzer verheiratet war, verbringt jeden Sommer in Bregenz. „Ich bin von Anfang Juni bis Ende September hier. So bleibt man jung. Ich liebe das Wasser. Früher bin ich so weit geschwommen, bis ich die Lochauer Kirche gesehen habe. Jetzt schwimme ich auch über das Molo hinaus“, erzählt sie und strahlt. Am Dienstag wird im Kreis der Stammgäste gefeiert. 200 Jahre Mili, 200 Jahre Badetradition.

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Ein Luftbild aus dem Jahr 1959.
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Die Mili in den 1910er-Jahren.
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