Warum der islamische Religionsinspektor für Vorarlberg das Kopftuchverbot auf alle Fälle bekämpfen will.

“Es geht um Religionsfreiheit”, meint Abdi Tasdögen. Integrationsexpertin Eva Grabherr fordert Gleichbehandlung.
Wien, Bregenz Das Kopftuchverbot an Schulen für unmündige Mädchen ist auf dem Weg. In Vorarlberg würde es Hunderten muslimischen Schülerinnen im Alter zwischen 6 und 14 eine religiös begründete Bedeckung der Haartracht verbieten.
Was die federführende Integrationsministerin Claudia Plakolm (30, ÖVP) als Beschneidung der Freiheit von Mädchen und als Zeichen für Unterdrückung wertet, interpretiert der Vorarlberger Inspektor für islamischen Religionsunterricht, Abdi Tasdögen (45), als Anschlag auf die Religionsfreiheit. Unter anderem sieht er den Gleichheitsgrundsatz verletzt. “Hier wird eine bestimmte Religionsgemeinschaft herausgepickt und in ihren Rechten beschnitten.” Doch Tasdögen macht auch klar: “Selbst wenn das Gesetz Symbole auch von anderen Religionen verbietet und den Gleichheitsgrundsatz berücksichtigen würde, würden wir das Kopftuchverbot nicht einfach akzeptieren. Ich rechne mit einer Beschwerde der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs beim Verfassungsgerichtshof. So wie 2020. Es geht hier schließlich um Religionsfreiheit”, wird Tasdögen deutlich.

Gleichheit über alles
“Kein Problem” mit einem Kopftuchverbot hätte Integrationsexpertin und Religionswissenschafterin Eva Grabherr (62). Unabdingbare Voraussetzung dafür: “Die Gleichbehandlung aller Religionen muss gewährleistet sein. Wenn etwa jüdische Buben im zweiten Wiener Gemeindebezirk genauso auf das Tragen einer Kippa in der Schule verzichten müssen, wie muslimische Mädchen auf das Tragen eines Kopftuches, dann bin ich dafür. Berlin und Frankreich wären dafür Vorbilder. Dort sind alle religiösen Symbole, egal von welcher Glaubensgemeinschaft, in der Schule nicht erlaubt.”

Ausdrücklich warnt Grabherr davor, den Islam anders zu behandeln als andere Religionen. “Wenn das passiert, wird ein Opfer-Mythos geschaffen und das Gegenteil von dem erreicht, was man erreichen will.” Für die Integrationsexpertin ist die Gleichbehandlung nicht nur nackte Rechtstheorie, “sie ist eine der Säulen unseres Rechtsstaates”.
Warten auf Anleitungen
Noch kein Thema weder bei der Schulleitertagung noch bei der Lehrerkonferenz im eigenen Haus sei das vor der Beschlussfassung stehende Kopftuchverbot in seiner Schule gewesen, sagt Bernhard Posch (63), Direktor der Mittelschule Bregenz-Stadt. “Wahrscheinlich glaubt niemand, dass es tatsächlich kommt”, mutmaßt Posch, der an seiner Schule eine deutlich steigende Zahl von Kopftuchträgerinnen registriert. “Wenn das Gesetz in Kraft ist, werde ich Verstöße natürlich bei der Behörde melden müssen. Ganz sicher werde ich keinem Kopftuch tragenden Mädchen an meiner Schule den Unterricht verweigern. Ich warte auf eine klare Handlungsanleitung vonseiten der Bildungsdirektion, wie wir ein Kopftuchverbot handhaben sollen.”

Christenfreundliche Muslima
Muslimische Mädchen an ihrer Schule hat sogar Maria Strolz (59), Direktorin der katholischen Privatschule Riedenburg in Bregenz. Von 570 Schülerinnen und Schülern sind das 30 Mädchen. Dass ein Kopftuchverbot auch Privatschulen beträfe, ist auch Strolz bewusst. Damit auseinanderzusetzen brauchte sich die Schulleiterin allerdings noch nicht. “Wir haben keine einzige Kopftuchträgerin bei uns. Die muslimischen Mädchen nehmen sogar begeistert an den katholischen Gottesdiensten teil. Deren Eltern haben sich für sie bewusst unsere Schule ausgesucht, weil sie unsere Werte und Haltungen teilen.”

Strolz räumt ein, dass die muslimischen Mädchen an der Riedenburg wohl eher aus einer bildungsnahen Schicht stammen. Ein Kopftuchverbot gilt an der Riedenburg nicht. “Das gibt schon unser Schulträger vor. Nur wenn das Kopftuchtragen einherginge mit einer offenen Ablehnung unserer Werte und Rituale, hätte ich ein Problem.”