Streiflicht: Kleinod als Kulisse
Das St. Galler Barockjuwel empfängt seine Gäste mit einem großen Versprechen. In übergroßen Filzpantoffeln schlurfen sie in die „Seelenapotheke“. So steht es in griechischen Worten über der Tür. Sie führt in eine der ältesten Bibliotheken der Welt. Hier befindet sich auch das älteste deutsche Buch, der „Abrogans“, geschrieben im Jahr 790. Das lateinisch-deutsche Wörterbuch zeigt, dass Mehrsprachigkeit die Menschen seit jeher begleitet.
Alle sind willkommen: Die japanische und eine chinesische Gruppe, in der Nische parlieren zwei Ehepaare Russisch. Der schwäbische Gesangsverein hat noch keinen Blick auf die sterblichen Überreste der Schepenese erhascht, die seit 1836 hier ruht. Doch die Schwaben schaffen es. Denn ein Foto der Mumie muss sein.
Unaufhörlich wird fotografiert. Deckenmalereien, Stuck und Putten fesseln das Auge. Und dann die schweren Folianten! Doch all das dient nur als Kulisse. Als ein übereifriger Tourist für das originellste Selfie einen Schaukasten mit kostbaren Büchern ins Wanken bringt, sieht man der Bibliotheksangestellten an, dass sie für den Stock, mit dem sie die Filzpantoffeln ordnet, noch ganz andere Verwendungen wüsste.
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