Roulas beeindruckender Neuanfang in der Fremde

Roula Haymour (46) flüchtete vor zehn Jahren aus Syrien. Heute arbeitet sie als Kindergartenassistentin in Bregenz.
Bregenz Roula Haymour (46) erblickte in Damaskus das Licht der Welt. Sie wuchs in einer liberalen Familie auf. Roula studierte Business und Marketing. Sie brach das Studium ab, weil sie heiratete und einen Sohn bekam. Ihr Mann, ein Libanese, war eifersüchtig. “Er kontrollierte mich.” Ohne seine Begleitung durfte sie nicht außer Haus gehen. “Er brachte mich zu den Freundinnen und holte mich dann wieder ab. Ich fühlte mich wie eine Prinzessin in einem Käfig.” Trotzdem verließ Roula ihren Mann nicht und bekam noch ein zweites Kind von ihm. “Ich dachte, er ändert sich.” Aber dann wurde er gewalttätig. Roula wurde klar, “dass ich mit so einem Menschen nicht mehr zusammenleben kann”. Sie trennte sich von ihrem Mann und entschied, nach Mitteleuropa zu fliehen.
“Alles ist besser als Krieg”
Zu der Zeit, im Jahr 2015, wütete in Syrien der Krieg. Der Tod stand vor der Haustür. “Dann ist alles besser als Krieg.” Einer ihrer Söhne entkam in der Schule nur knapp einem Bombenangriff. “Da wusste ich, dass ich keine Minute länger bleiben kann.” Roula flüchtete im August 2015 allein in die Türkei. Ihre Kinder waren inzwischen bei ihrem Ex-Mann im Libanon in Sicherheit. Die Flucht war gefährlich. Hohe Berge mussten zu Fuß überquert werden. Die zweifache Mutter hatte Angst, Opfer einer Vergewaltigung zu werden oder von radikalen Islamisten entführt zu werden. Doch Roula gelangte glücklicherweise ohne größere Zwischenfälle in die Türkei. In Izmir kam sie bei einer Freundin unter. “Ich rief meinen Ex-Mann an und bat ihn, mir die Kinder zu bringen.”
“Ich musste fest kämpfen. Aber ich bin lieber eine Kämpferin als ein Opfer oder eine Bettlerin.”
Roula Haymour
Als Roula mit ihren zwei Söhnen wieder vereint war, entschloss sie sich zur Flucht übers Mittelmeer. “Wir sind in Bodrum gestartet, ein Schlauchboot sollte uns nach Griechenland bringen.” Aber der Plan ging nicht auf. “Auf einmal sank unser Boot, in dem 75 Menschen saßen.” Diese Erfahrung hätte Roula lieber nicht gemacht. “Es war schlimm. Wir waren alle in Panik und schrien.” Roula und ihre Kinder überlebten. Die türkische Wasserrettung kam den Flüchtlingen zu Hilfe. Zwei Tage später nahm sie abermals all ihren Mut zusammen und wagte erneut einen Versuch. “Dieses Mal waren wir erfolgreich. Wir fuhren mit einem Schlauchboot zur Insel Kos.” Einige Wochen später – Ende September – kam die Familie nach weiteren Strapazen in Österreich an.

Roula und ihre Söhne leben inzwischen in Bregenz. Der Neuanfang in dem fremden Land war für die Alleinerzieherin aus Syrien nicht leicht. “Ich musste fest kämpfen. Aber ich bin lieber eine Kämpferin als ein Opfer oder eine Bettlerin.” Als Erstes lernte die Asylberechtigte die deutsche Sprache. “Ich habe mehrere Deutschkurse belegt.” Dann suchte sie sich eine Arbeit. “Am Anfang habe ich als Küchenhilfe in einem Gasthaus gearbeitet.” Durch ein Praktikum in einem Kindergarten fand sie den Weg zur Kinderbetreuung. Sie machte eine Ausbildung zur Kindergartenassistentin. Heute arbeitet sie mit Begeisterung im Kindergarten Rieden in Bregenz. “Ich bin unter anderem für Kinder mit besonderen Bedürfnissen zuständig. Sie haben das Recht, Liebe und Nähe zu bekommen.”
Im Kochen, Tanzen und Reisen findet die 46-Jährige einen Ausgleich zu ihrem fordernden Beruf. Auch das Gebet hat einen großen Stellenwert in ihrem Leben. “Ich rede oft mit Allah. Er kümmert sich um mich und beschützt mich. Er begleitet mich auf all meinen Wegen und öffnet mir Türen, die zu meinem Besten sind.” Fern der Heimat wuchs ihr Glaube zu einer unbändigen Kraft heran. “Allah hat mir hier auf Erden eine Aufgabe gegeben. Mein Job ist es, mich um meine Söhne und meine Integrationskinder zu kümmern.”