Klang aus Erz und Feuer: Die Geschichte der Feldkircher Glockengießerei Graßmayr

Über 120 Jahre prägte die Familie Graßmayr in Feldkirch nicht nur den Klang der Kirchen.
Feldkirch Wer heute am Mühletorplatz in Feldkirch vorbeigeht, ahnt kaum, dass hier einst das Herz einer traditionsreichen Glockengießerei schlug. Von 1791 bis 1914 fertigte die Familie Graßmayr in ihren Werkstätten Glocken, die bis heute erklingen – allen voran die berühmte Katzenturmglocke, 1857 gegossen von Josef Anton Graßmayr. Mit ihren über 8450 Kilogramm ist sie ein technisches Meisterwerk und bis heute das klangvolle Wahrzeichen der Stadt. Die Glockengießerei Graßmayr in Feldkirch war eine historische Nebenlinie, die aus der Innsbrucker Mutterlinie hervorging und von 1791 bis 1914 existierte. Sie war Teil des über 400 Jahre alten Familienunternehmens, dessen Hauptsitz sich in Innsbruck befindet. Schon im frühen 17. Jahrhundert soll es am Ort eine Gießerei gegeben haben: Johann Graßmayr, 1601 in Innsbruck geboren, absolvierte seine Lehre bei seinem Onkel Jakob Veit Graßmayr in Feldkirch. Damit war früh der Grundstein für eine Verbindung gelegt, die später in einem eigenen Betrieb aufging.

Vielseitige Industrielle
1785 ließ sich die Familie aus Tirol in Feldkirch nieder und begann, verschiedene Liegenschaften in der Marktstraße zu erwerben. 1824 erwarb Josef Anton Graßmayr ein Grundstück am Mühletorplatz, wo er mit seinem Vater das sogenannte Schobelhaus errichtete – nach außen ein biedermeierliches Wohnhaus, im Inneren jedoch ein geschäftiges Industriegebäude. Neben Drehmaschinen und Gussöfen entstand dort sogar eine Baumwollspinnerei, die an Unternehmer wie David Kitt aus Sulz vermietet wurde. Die Graßmayrs erwiesen sich als vielseitige Industrielle. Neben Glocken fertigten sie Feuerlöschgeräte, Maschinenteile für die Textilindustrie sowie Holzspulen und Spindeln. Um 1860 entstand neben dem Schobelhaus ein imposantes Natursteingebäude, bekannt als Graßmayrfabrik, das rasch zu einem erfolgreichen Zulieferbetrieb für die boomende Textilindustrie wurde. Später folgte noch eine kleine Fabrik für Weberschiffchen.
Unternehmerischer Ehrgeiz
Doch trotz aller Diversifizierung blieb die Glockengießerei das Herzstück des Unternehmens. Im Hinterhof zwischen Mühletorplatz und Marktstraße loderten über Jahrzehnte die Schmelzöfen. Hier gossen die Graßmayrs mit präziser Handwerkskunst und altem Wissen Klangkörper, die weit über die Region hinaus ihre Wirkung entfalteten. Nicht immer war der Weg geradlinig. Das Scheitern einer Spinnerei in Frastanz 1854 oder zermürbende Auseinandersetzungen um Wasserrechte im Mühlbach bremsten die Familie nicht. Mit unternehmerischem Ehrgeiz und ungebrochenem Expansionswillen schufen sie ein industrielles Erbe, das Feldkirch nachhaltig prägte. Doch 1914 kam das Ende: Die Glockengießerei Graßmayr musste Konkurs anmelden. Heute erinnern die Gebäude in neuer Funktion an die bewegte Vergangenheit. Im Schobelhaus, das in den frühen 1980er-Jahren von Architekt Erich Steinmayr umgebaut und Mitte der 2000er erweitert wurde, befindet sich seit 1977 das Theater am Saumarkt. Hier lebt das kreative Erbe des Ortes in Form von Schauspiel, Musik und Literatur weiter. Auch andere Teile des Areals werden heute unterschiedlich für Büros oder Geschäfte genutzt. Damit sind zumindest Teile der historischen Bausubstanz erhalten geblieben und prägen bis heute das Stadtbild. Die Tradition selbst aber lebt in Innsbruck fort: Dort führt die Familie Graßmayr bis heute die über 400-jährige Geschichte weiter. Ihre Glocken hängen in mehr als 120 Ländern, und im hauseigenen Museum können Besucher den Gussprozess erleben.