Zwischen Litz und Loden: Die Geschichte der Lodenfabrik Schruns

Die Lodenfabrik Schruns erzählt 150 Jahre Montafoner Industriegeschichte.
Schruns Die Lodenfabrik Schruns steht exemplarisch für den Übergang des Montafons von einer agrarisch geprägten Region zur industriellen Produktion. Ihren Ursprung hatte sie 1826, als David Tschofen, Christian Widerin und Franz Josef Burtscher zwischen der Litz und dem heute verschwundenen Mühlbach mit der Zeugmacherei begannen. Das Wasser der umliegenden Bäche lieferte die nötige Energie für die Verarbeitung von Wolle – der Beginn der Textilproduktion im Tal. Bereits 1852 wurde der Betrieb erweitert, ehe 1886 ein entscheidender Wendepunkt kam: Heinrich Mayer aus Schruns übernahm die Fabrik. Der Sohn einer Müller- und Bäckerfamilie hatte in Deutschland eine Textilausbildung absolviert und bewies unternehmerisches Gespür. Er kaufte zusätzlich eine weitere Wollwarenfabrik im Unterdorf. In dieser unteren Fabrik – ursprünglich eine Hammerschmiede – wurde gesponnen und gewalkt, während in der oberen gefärbt, gewebt und appretiert wurde. Beide Standorte nutzten die Wasserkraft und beschäftigten um 1890 bereits 24 Menschen aus der Region. Mayer erweiterte nicht nur die Produktion, sondern eröffnete auch 1890 einen Verkaufsladen in der oberen Fabrik. Direkt daneben entstand ein Geschäftshaus, das sowohl Wohn- als auch Produktionsräume beherbergte. Eine Besonderheit war das Jugendstilbad im Keller, entworfen von Hanns Kornberger, das als öffentliches Bad genutzt wurde.

Hochwasser zerstörte Fabrik
Ein schwerer Einschnitt war das Hochwasser 1910, das die obere Fabrik zerstörte. Die Weberei wurde notdürftig in eine benachbarte Mühle verlegt. 1915 wurde an der Kronengasse ein neues Fabriksgebäude errichtet – geplant von Max Broger. Nach Mayers Tod führte ein Verwandter den Betrieb unter dem Namen“Heinrich Mayers Nachfolger” weiter. In der wirtschaftlich schwierigen Zwischenkriegszeit wurde die untere Fabrik stillgelegt und die Produktion zentralisiert. 1937 erfolgte ein Umbau der oberen Fabrik – das Satteldach wich einem Flachdach. Kurzzeitig erlebte der Betrieb 1938 dank des Lodenbooms durch deutsche Urlaubsgäste einen Aufschwung. Es wurde ein Lagerhaus am linken Litzdamm errichtet. Ab 1940 stellte die Fabrik Bekleidung für die deutsche Wehrmacht her. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte der Export ausgebaut werden, der Betrieb erreichte mit rund 45 Mitarbeitenden seinen Höchststand.

Doch in den 1970er-Jahren stand die europäische Textilindustrie unter Druck. Ein Verkauf des Betriebs scheiterte – die Produktion wurde eingestellt. Die obere Fabrik wurde später umfassend saniert und dient heute als Kultur-, Büro- und Wohnhaus unter dem Namen Kunstforum Montafon. Die gut sichtbare Aufschrift “Lodenfabrik” erinnert noch an ihre ursprüngliche Bestimmung. Die untere Fabrik diente lange als Bürogebäude der Montafonerbahn und wird heute ebenfalls als Wohnraum genutzt. So bleibt die Lodenfabrik ein bedeutendes Kapitel der regionalen Industriegeschichte – ein Ort, an dem sich Handwerk, Unternehmertum und Zeitgeschehen in Stein und Stoff eingeschrieben haben.
