Eizellen einfrieren für alle: “Es darf zu keiner Kommerzialisierung kommen”

Politik / HEUTE • 13:15 Uhr
Eizellen einfrieren für alle: "Es darf zu keiner Kommerzialisierung kommen"
Die Fruchtbarkeit nimmt mit dem Alter ab. Social Egg Freezing erlaubt mehr Flexibilität beim Kinderwunsch. APA/Gindl

Leiter des Kinderwunschzentrums in Feldkirch begrüßt das Ende des Verbots von Social Freezing, hält aber gewisse Vorgaben für notwendig.

Feldkirch In Deutschland oder der Schweiz ist Social Egg Freezing oder kurz Social Freezing schon längst Realität. Österreich verbietet Frauen hingegen, ihre Eizellen ohne medizinischen Grund einzufrieren. Allerdings hat diese Einschränkung nun ein Ablaufdatum. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hob sie auf, und zwar mit 1. April 2027. Norbert Loacker, Leiter des Kinderwunschzentrums im Landeskrankenhaus Feldkirch, begrüßt das Ende des Verbots ausdrücklich, äußert aber auch Verständnis, dass es damit noch etwas dauert. Denn gewisse Regularien wird es brauchen. “Es darf zu keiner Kommerzialisierung kommen.”

Teil des Privatlebens

Beim Social Egg Freezing werden der Frau Eizellen entnommen, diese eingefroren und eingelagert. Zu einem späteren Zeitpunkt können sie aufgetaut, künstlich befruchtet und wieder eingesetzt werden. Das Höchstgericht erklärte, dass der Wunsch, ein Kind zu haben, ob auf natürlichem Weg oder durch eine medizinisch unterstützte Methode, Teil des Privatlebens und damit ein Grundrecht nach der Europäischen Menschenrechtskonvention sei.

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“Die Freude überwiegt ganz klar”, sagt Reproduktionsmediziner Loacker zur Erkenntnis des VfGH. Er verweist darauf, dass Frauen zukünftig, wie in anderen Ländern auch, einen größeren Entscheidungsspielraum bekommen. Denn die Fruchtbarkeit nimmt mit dem Alter ab. Andererseits sieht der Leiter des Kinderwunschzentrums auch Risiken. “Es birgt mitunter die Gefahr einer gewissen Entlastung für die Politik, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.” Denn mit der neuen Möglichkeit könnte erst recht wieder Druck auf Frauen entstehen, den Kinderwunsch hintenanzustellen. Loacker thematisiert in diesem Zusammenhang etwa, dass Firmen wie Apple und Facebook ihren Mitarbeitenden vor einigen Jahren finanzielle Hilfe für Social Egg Freezing angeboten haben. Es dürfe kein neues Lifestyle-Produkt entstehen. “Patientinnen müssen gut über ihre Perspektive einer Schwangerschaft, die Chancen und Kosten aufgeklärt werden.”

Der Prozess zur Eizellenentnahme ist der gleiche wie bei der künstlichen Befruchtung: Die Patientinnen müssen sich einer Hormonbehandlung unterziehen, damit genügend Eizellen heranreifen. Im Fall einer 38-jährigen Frau brauche es sicherlich mehrere Durchgänge, um an die benötigte Zahl zu kommen, nennt Loacker ein Beispiel. “Ein halbes Jahr ist schnell vorbei.” Dazu käme die Kostenfrage von mitunter mehreren Tausend Euro, wenn die Krankenkasse den Eingriff nicht übernimmt, was in vielen Ländern der Fall ist, wenn es keinen medizinischen Grund dazu gibt.

Norbert Loacker, Kinderwunschzentrum
Norbert Loacker ist Leiter des Kinderwunschzentrums im LKH Feldkirch. KHBG/Nussbaumer

Der Mediziner sieht die Politik außerdem bei der Frage gefordert, wie lange eine aufgetaute und befruchtete Eizelle wieder eingesetzt werden darf. “Mit dem Alter steigt das Risiko für Komplikationen, zum Beispiel Diabetes, Frühgeburten und Hypertonie”, erklärt Loacker und erinnert daran, dass die Eizellenspende in Österreich bis zum 45. Lebensjahr erlaubt ist. Möglicherweise werde der Gesetzgeber diese Altersgrenze auch beim Social Egg Freezing heranziehen. Auch die Dauer der Lagerung müsse geklärt werden.

Singlefrauen ausgeschlossen

Was das Thema Kinderwunsch angeht, ist eine weitere wegweisende Entscheidung des Höchstgerichts nicht ausgeschlossen. Denn die medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist bisher nur für Ehepaare, eingetragene Partnerschaften oder Lebensgemeinschaften möglich. Alleinstehende Frauen sind ausgeschlossen. Die Gruppe “Solomütter by Choice” hält das für diskriminierend und hat einen Individualantrag beim VfGH eingebracht. Loacker berichtet von vielen Anfragen von Singlefrauen im Kinderwunschzentrum. “Sie bleiben bei uns komplett auf der Strecke. Viele weichen in andere Länder aus, zum Beispiel Dänemark.” Er hat vollstes Verständnis für ihr Anliegen. “Eine Frau, die mit beiden Füßen im Leben steht, informiert ist und sagt: Ich hätte gerne ein Kind. Was spricht denn dagegen?”