Michael Köhlmeier und seine ehrenwerten Affen

Der Vorarlberger Schriftsteller überrascht mit einem kurzweiligen Märchen- und Sagenband.
hohenems In seinem neuen Märchenband verbindet Michael Köhlmeier klassische Motive mit eigenen, pointiert erzählten Geschichten. In siebzehn Erzählungen entfaltet er sein tiefes Wissen über Mythologie und Volksliteratur und öffnet zugleich neue Perspektiven auf vertraute Stoffe. Ein Gespräch über Herkunft, Haltung und die Kunst des modernen Märchenerzählens.
Ihr wievieltes Märchen/Sagenbuch ist “Ehrenwerte Affen” und was war der Reiz daran, erneut ein Märchen und Sagenbuch zu schreiben?
Es ist mein zweites. Aber eigentlich eine Erweiterung des ersten sehr umfangreichen Buches. Ich glaube, das Märchen ist die Primzahl der Literatur. Einfach und rätselhaft zugleich und beides im äußersten Maße. Jede Erzählung, denke ich, hat in ihrem Kern ein Märchen. Ein Schriftsteller, der sich nicht für Märchen interessiert, der kommt mir vor wie ein Schreiner, der sagt, er habe für Holz wenig übrig.
Märchen/Sagen verändern sich mit den Jahrhunderten. Welche Wendungen geben Sie Märchen/Sagen – oder ist das ein Tabu?
Ich bin kein Märchensammler. Auch die Brüder Grimm, obwohl sie es immer betont haben, haben nicht einfach nur gesammelt, sie haben gedichtet. Das Märchen eignet sich nicht fürs Archiv. Es will erzählt werden. Ein guter Erzähler formt und verändert ein Märchen immer nach seiner Persönlichkeit. Das will ich auch.
Man fühlt sehr viel Geborgenheit, wenn der Urgroßvater erzählt – ist dieses Erzählen von einer Generation zur nächsten, in den Jahren, verloren gegangen?
Der Urgroßvater ist vom Fernsehen und von den Computerspielen abgelöst worden. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Es ist ziemlich fad, anstatt in ein lebendiges Gesicht auf einen Bildschirm zu schauen.
Die Bibel, bzw. Stoffe aus der Bibel, kommen sehr oft vor, ist das ein Zufall?
Ganz und gar kein Zufall! Die Bibel, vor allem das Alte Testament, ist eine der ältesten Sammlungen von Geschichten, und es sind sehr gute, sehr bewährte Geschichten, archetypische Geschichten, die immer von uns erzählen, von uns heute.
Märchen haben viel mit Sprache zu tun, auch mit einer verlorenen Alltagssprache. Haben Märchen die Aufgabe, dies in Erinnerung zu rufen?
Das ist es ja – sie haben gar keine Aufgabe. Märchen sind einfach. Sie geben keine Antwort. Sie werden oft missbraucht, dann wird ihnen eine Moral angehängt, zu didaktischen Zwecken missbraucht. Ich finde das jämmerlich. Märchen sind wie Träume. Die Deutung eines Traums reicht niemals an die Poesie des Traumes heran.
Zum Beispiel beim „Milchig-Löffel“ oder „Ehrenwerte Affen“, haben wir ein offenes Ende, das kommt mir für Märchen und Sagen relativ neu vor, oder?
Wenn Sie – bleiben wir bei den Grimms – die Vorlagen ansehen, die vor allem Wilhelm Grimm verwendet hat, dann suchen Sie oftmals vergebens nach einem uns befriedigenden Ende. Das liegt auch daran, dass in alter Zeit am kommenden Abend die Erzählung eine Fortsetzung fand.
Kann man so sagen, dass Sie hier Märchen für Erwachsene und Kinder in einem Buch vereint haben?
Ursprünglich waren die Märchen nur für Erwachsene gedacht. Im 18. Jahrhundert hat man sie den Kindern zugeschoben und dementsprechend verändert.
Verraten Sie den VN-Leserinnen und Lesern ihr Lieblingsmärchen/Sage?
Wieder die Brüder Grimm: Herr Korbes. Eines der seltsamsten Märchen, die ich kenne. Die Dinge und die Tiere tun sich zusammen, um einen Menschen zu vernichten. Darüber rentiert es sich nachzudenken.
Martin G. Wanko
