“Mehr Toleranz – das ist mir wahnsinnig wichtig” – Wie Inklusion in Dornbirn gelebt wird

In Dornbirn wird Inklusion durch persönliche Geschichten und tägliches Miteinander gelebt und gefördert.
Von Silja Dietrich
Dornbirn Am 3. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung, geht es nicht nur um Zahlen und Statistiken, sondern um Menschen und ihre Geschichten. Govinda König ist 42 Jahre alt und wohnt in Lustenau. Gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde in Dornbirn zeigt er, wie Inklusion im Alltag gelebt werden kann, indem er Aufgaben übernimmt, Menschen begegnet und dabei Wertschätzung erfährt.
Ein verlässlicher Helfer im Gemeindealltag
Am Montagnachmittag findet man Govinda in der Küche der evangelischen Kirchengemeinde in Dornbirn inmitten von Geschirr und Reinigungsmitteln. Nach der Kaffeerunde macht er, unterstützt von seiner Begleiterin Sonja vom ifs Integrative Arbeitsstruktur, wieder klar Schiff. Danach muss noch die Kirche aufgeräumt werden, auch den Aufenthaltsraum bereitet er für das offene Frühstück jeden zweiten Dienstagmorgen vor. Diese Aufgaben übernimmt er mit Freude und Verlässlichkeit – und wer ihm dabei begegnet, spürt seine ruhige, freundliche Art.

Auch Sonja beschreibt Govinda als “sehr sanften, wohlwollenden, erwachsenen Mann”, der durch seine ruhige Art nicht nur zuverlässig arbeitet, sondern auch eine besondere Atmosphäre schafft. “Er bringt eine Gelassenheit mit, die ansteckend ist. Viele Menschen fühlen sich in seiner Nähe sofort wohl.”
Liebe als Grundlage der Inklusion
Besonders stolz ist er auf seine Offenheit – und auf die Liebe, die er gibt und empfängt: “Ich liebe meine Mama und meine Oma.” Begegnungen im Alltag, wie mit einem blinden Mann im Bus, der ihn jedes Mal herzlich begrüßt, zeigen ihm, wie viel Wohlwollen er erfährt. Sein größter Wunsch: “Liebe” – dass Menschen einander mit Respekt und Liebe begegnen.
Ein Gewinn für die Gemeinde
Jürgen Hauck, seit 2013 in der evangelischen Kirchengemeinde Dornbirn tätig, sieht Govindas Engagement als großen Gewinn: “Seit vielen Jahren kommt er regelmäßig hierher. Für mich ist das ein großer Mehrwert – es gehört zu unserem Auftrag als Gemeinde, Menschen mit Behinderung einzubeziehen und zu unterstützen. Unsere Kirche soll ein offenes Haus bleiben, in dem jeder willkommen ist.”

“Mehr Toleranz – das ist mir wahnsinnig wichtig. Das fehlt heute in der Gesellschaft.” Geprägt wurde seine Haltung durch persönliche Erfahrungen. Besonders die Lebensgeschichte seiner gehörlosen Schwester, die ihr Leben lang mehr kämpfen musste als andere, hat ihn sensibilisiert. “Das hat mir gezeigt, wie wichtig Respekt und Unterstützung sind.”
Vielfältig engagiert
Neben seiner Arbeit in der Kirche ist der Lustenauer auch an anderen Orten aktiv: Am Dienstagnachmittag besucht er den Treff des ifs, mittwochs arbeitet er im Café des Jüdischen Museums, und donnerstags und freitags unterstützt er das Brockenhaus in Lochau. Diese vielfältigen Tätigkeiten geben ihm nicht nur Struktur, sondern auch die Möglichkeit, in unterschiedlichen Gemeinschaften Kontakte zu knüpfen.
Dankbarkeit und Herausforderungen
Govindas Mutter Christine erzählt von vielen positiven Erfahrungen: “Seit er klein ist, haben wir überall Unterstützung bekommen. Angefangen von der ersten Integrationsklasse in Lustenau bis hin zu den Angeboten des ifs. Dafür bin ich sehr dankbar.” Sie betont, wie sehr Govinda in den Einrichtungen angenommen wurde und wie viele Menschen ihm mit Offenheit begegnen.
Besonders freut sie sich darüber, dass er dadurch nicht nur praktische Fähigkeiten entwickeln konnte, sondern auch Freundschaften entstanden sind und er sich in verschiedenen Gemeinschaften zu Hause fühlt. Gleichzeitig spricht sie offen über die Herausforderungen: “Eine absolute Integration in die Gesellschaft ist unglaublich schwierig. Ein richtiger Austausch auf Augenhöhe ist oft nicht möglich.”

Auch zu den Kürzungen im Sozialbereich hat sie eine klare Meinung: “Es gäbe viele andere Möglichkeiten, um einzusparen – aber hier trifft es Menschen, die Unterstützung brauchen. Das versteht niemand.”