Seit 25 Jahren als Nikolaus unterwegs: „Für mich ist es wichtig, so lang wie möglich den Glauben aufrechtzuerhalten“

VN / HEUTE • 09:30 Uhr
Seit 25 Jahren als Nikolaus unterwegs: „Für mich ist es wichtig, so lang wie möglich den Glauben aufrechtzuerhalten“
Reinhard Raich aus Ludesch spielt leidenschaftlich gerne den Nikolaus.

Reinhard Raich ist der dienstälteste Nikolaus in Ludesch. Was ihn motiviert und warum er einmal fast aufgeflogen wäre.

Ludesch Eine rot-goldene Bischofsmütze, ein weißer, lockiger Bart und ein roter Umhang – in diesem Kostüm fühlt sich Reinhard Raich wohl. Seit 25 Jahren spielt er den Nikolaus in Ludesch. „Wir kommen alle aus einer Nikolausfamilie“, sagt Reinhard, dessen Vater bereits in Lauterach als Nikolaus Familien besuchte. Sein Bruder und seine drei Söhne sind ebenfalls alle Nikoläuse.

Wer Nikolaus werden will, beginnt seine „Karriere“ als Knecht. Die 15- bis 18-jährigen Knechte sollen später das Nikolausamt übernehmen und somit den Nachwuchs sichern. Der Knecht Ruprecht ist nur ein stummer Helfer und Freund des Nikolaus – und darf den Kindern keine Angst einjagen. Seit drei Jahren gibt es zudem die Variante, statt eines Knechts einen Krampus – organisiert von den Ludescher Stehbruchtüfel – zu buchen. Doch Reinhard mag die traditionelle Art lieber.

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Immer an seiner Seite: Knecht Ruprecht privat

Seit 1972 stellen die Pfadfinder Ludesch den Nikolaus und organisieren seine Besuche bei den Familien. An zwei Abenden (5. und 6. Dezember) sind jeweils vier Nikoläuse und deren Knechte unterwegs und besuchen im Schnitt 70 bis 80 Familien. „Wir teilen uns das auf“, sagt Reinhard. Pro Hausbesuch nimmt er sich 20 Minuten Zeit. Acht Häuser schafft er so an einem Abend. In den letzten Jahren hat er festgestellt, dass sich immer mehr Familien zusammentun, um den Nikolaus gemeinsam zu empfangen.

Die Nikolausgeschichte gemeinsam erzählen

Lebkuchen, Erdnüsse, Mandarine, Apfel: So sollte ein gefüllter Nikolaussack aussehen. Der Nikolaus klopft an die Tür, verteilt die Säckchen an die Kinder und singt gemeinsam mit ihnen das Nikolauslied. „Ich erzähle den Kindern Geschichten über den Nikolaus“, sagt Reinhard. „Ich frage sie aber vorher, was sie bereits über den Nikolaus wissen.“ Einige Kinder basteln Figuren oder malen ein Bild für den Nikolaus. „Es freut mich, wenn sie sich auf den Nikolaus vorbereiten.“ Die größeren Kinder spielen ein Instrument.

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Den Umhang hat ein Schneidermeister genäht, das Gewand ist ein altes Priestergewand. privat

Er erinnert sich noch an Jugendliche, die unbedingt wollten, dass der Nikolaus zu ihnen nach Hause kommt. Dort gaben sie ihm dann ein kleines Hauskonzert. Reinhard ist im Dorf auch privat – nicht im Auftrag des Vereins – als Nikolaus unterwegs und besucht das IAP (Seniorenheim), die Spielgruppe, den Kindergarten und die Werkstätte Ludesch. Zwei bis drei Tage nimmt er sich für all diese Menschen Zeit.

Was Reinhard am Nikolaus-Sein besonders gefällt, ist die Mischung aus strahlenden Kinderaugen und der Möglichkeit, Werte wie Teilen und Helfen zu vermitteln. Es motiviert ihn, wenn Kinder trotz anfänglichem Respekt am Ende doch das Säckchen annehmen. Auch der Einblick in die Familien macht für ihn den Reiz dieser Aufgabe aus.

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Reinhard erzählt den Kindern Geschichten über den Nikolaus und seine Taten. privat

Fast aufgeflogen

Kritische Stimmen von Kindern, die am Nikolaus zweifeln, gibt es durchaus, doch Reinhard kann ihnen gekonnt ausweichen. „Für mich ist es wichtig, so lang wie möglich den Glauben aufrechtzuerhalten und die Geschichte lebendig zu halten.“ Einmal wäre er fast aufgeflogen, erinnert er sich: „Mein Jüngster hat im Kindergarten erkannt, dass der Nikolaus die gleichen Schuhe trägt wie sein Papa.“ Das habe er aber zum Glück nicht vor den anderen Kindergartenkindern erzählt. Ein anderes Mal kamen aufgrund eines Organisationsfehlers zwei Nikoläuse zur gleichen Wohnung. Auch dass er seine Bischofsmütze verlor, kam bereits vor.

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Privat trägt Reinhard übrigens keinen Bart. VN/JUN

„Nach wie vor bin ich nervös und mache mir Gedanken darüber, wie ich das machen soll“, gesteht er. Doch das Lampenfieber legt sich schnell wieder, sobald er umgezogen und aus dem Haus gegangen ist. „Dann fühle ich mich wohl.“ Die Umhänge hat ein Schneidermeister genäht, das Gewand darunter ist ein altes Priestergewand. Reinhard trägt privat keinen Bart – das würde seiner Frau nicht gefallen. Doch unter dem künstlichen Bart wird es schnell warm, und es kitzelt. Aber „man gewöhnt sich dran“.

Weihnachtsmensch durch und durch

Als Nikolaus müsse man den Umgang mit Kindern mögen, sagt der Metallverarbeiter. „Wichtig ist, dass der Nikolaus mit den Kindern kommuniziert.“ Ganz speziell sei der Umgang mit den Menschen mit Behinderung in der Werkstätte Ludesch. Da dürfe man keine Berührungsängste haben. Reinhard geht in seiner Rolle als Nikolaus richtig auf. Mit seinen 60 Jahren ist er der älteste Nikolaus in Ludesch und wird dieses Amt auch weiterhin ausüben. „Wir sind alle Weihnachtsmenschen. Die Krippe ist der Mittelpunkt. Auch der Christbaum muss sein. Und ohne Nikolaus geht es gar nicht. Tradition ist Tradition.“

Zur Person

Reinhard Raich

Geboren: 9. Mai 1965
Wohnhaft: Ludesch
Familie: verheiratet, drei Kinder
Beruf: Metallverarbeiter
Hobbys: Mountainbike fahren, Wandern, Pfadis, Werken, mit den Enkeln Zeit verbringen