Thüringer Bürgermeister und sein Finanzchef schuldig der Steuerhinterziehung

VN / HEUTE • 16:49 Uhr
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VNBürgermeister Harald Witwer als Erstangeklagter vor Gericht.

Harald Witwer (ÖVP) und der Zweitangeklagte begingen Abgabenhinterziehung und grob fahrlässige Abgabenverkürzung.

Feldkirch „Wie geht es Ihnen heute?“ lautet die erste Frage von Richterin Verena Wackerle an Bürgermeister Harald Witwer (ÖVP), den Erstangeklagten in diesem Verfahren. „Nicht so gut“, so seine Antwort. „Verständlich“, entgegnet die Richterin darauf.

Verständlich wohl deswegen, weil es die Anklage gegen den Ortschef von Thüringen und den Zweitangeklagten (63), der während der angeklagten Malversationen als Leiter des mit den Finanzdienstleistungen betrauten Gemeindeverbands „Blumenegg“ betraut war, in sich hat.

Es geht um Hinterziehung der Umsatzsteuer. Vorsätzlich, wie Staatsanwalt Manfred Melchhammer betont. Witwer als Entscheidungsträger und dem Finanzchef wird im Zusammenhang mit einer gemeindeeigenen Immobilienfirma die Hinterziehung von 140.000 Euro Umsatzsteuer vorgeworfen, weitere 140.000 Euro seien zu spät bezahlt worden. All dies in den Jahren 2019 bis 2024.

“Ein Wahnsinnsschock”

Die Beschuldigten haben einen Wiener Rechtsanwalt konsultiert. Ein Advokat, der gleich zu Beginn der Verhandlung nur eine Vorstellung davon hat, wie dieser Prozess ausgehen kann: Mit einem Freispruch. Denn sein Mandant Witwer habe von einer verspäteten Anmeldung der Umsatzsteuer durch den Zweitangeklagten zunächst gar nichts gewusst, ein Vorsatz sei daher auszuschließen. Witwer selbst bekennt sich nicht für schuldig und spricht von einem „Wahnsinnsschock“, als er erst Jahre nach Beginn der Malversationen über ein Anschreiben vom Amt für Betrugsbekämpfung erfuhr, dass mit der steuerlichen Finanzgebarung etwas im Unreinen lag.

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Vor der Verhandlung: Witwer (r.) und der Zweitangeklagte (m.)

Tatsächlich war der Zweitangeklagte mit dieser Aufgabe betraut. Ihm hatte der Bürgermeister blind vertraut, da der Mann als ein Kapazunder in Dingen Finanzangelegenheiten galt. Allerdings nicht in Dingen Finanzstrafrecht, wie der Zweitbeschuldigte bei seiner Einvernahme selbst einräumt. „Ich hätte nie gedacht, dass das so schlimm ausgehen würde“, sagt er, um gleichzeitig zu betonen: „Steuerhinterziehung war absolut nicht unser Anliegen.“ Dass er es mit der Abführung der Umsatzsteuer nicht so genau genommen hatte, sei nicht vorsätzlich gewesen, sondern vielmehr eine unglückliche Begleiterscheinung ungünstiger Umstände gewesen.  

“Über den Kopf gewachsen”

Personelle Abgänge im Gemeindeverband, Pensionierungen und Karenzierungen von Mitarbeitern, all dies hätte eine zu schwere Last auf seine Schultern gelegt. „Ich musste alles allein machen, es ist mir über den Kopf gewachsen“, argumentiert der 63-Jährige.

Dann das Urteil des Schöffengerichtes: Witwer wurde wegen nicht bezahlter Steuern vor dem Jahr 2023 wegen grob fahrlässiger Abgabenverkürzung schuldig gesprochen, was jedoch lediglich als Strafe des Finanzamtes gilt, nicht als gerichtliche Verurteilung. „Weil er nicht hingeschaut hatte“ begründete die Richterin. Schlimmer traf es den Zweitangeklagten. Der 63-Jährige wurde wegen vorsätzlicher Abgabenhinterziehung zu einer Geldstrafe von 110.000 Euro verurteilt, 80.000 davon unbedingt, verurteilt. Mildernd: Sein Geständnis und die Wiedergutmachung des Schadens. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.