“Warum nicht zuerst sensibilisieren, bevor man gleich verbietet?” – Vorarlberger Jugendliche über Social-Media-Verbot

Australien verbietet Social Media für unter 16-Jährige. Jugendliche in Vorarlberg sehen darin Einschränkung statt Lösung.
Von Silja Dietrich
Schwarzach Australien hat als erstes Land weltweit ein Mindestalter für soziale Medien eingeführt: Seit dem 10. Dezember 2025 dürfen Jugendliche unter 16 Jahren keine eigenen Konten mehr auf Plattformen wie TikTok, Instagram oder Snapchat besitzen. Über eine Million Accounts sind betroffen. Die Verantwortung liegt bei den Plattformbetreibern, die Alterskontrollen durchführen müssen. Verstöße können mit bis zu 30 Millionen Euro bestraft werden.
“Alles, was ich erfahre, ist auf Social Media”
Für Jugendliche in Vorarlberg ist Social Media ein zentraler Bestandteil des Alltags. “Alles, was ich erfahre, ist auf Social Media – Instagram oder TikTok”, meint Simon Märker. Auch Kontakte außerhalb der Region seien wichtig: “Ich habe viel Kontakt mit Menschen, die nicht in Vorarlberg wohnen. Wenn Snapchat verboten wäre, hätte ich deutlich weniger Kontakt mit diesen Leuten”, meint Josefine Müller.
Ein Verbot empfinden beide als Einschränkung. Der 18-Jährige meint: “Man fragt sich schon, ob das wirklich der richtige Ansatz ist. Warum probiert man nicht zuerst, zu sensibilisieren und aufzuklären, bevor man gleich verbietet? Da würde ich mich als Jugendlicher schon auch ein bisschen im Stich gelassen fühlen.”

Bewusstsein für die eigene Nutzung
Die beiden Schüler wissen, dass sie viel Zeit online verbringen: “Man ist sich schon bewusst, dass man wahrscheinlich viel zu viel Zeit auf Social Media verbringt. Ich habe eine relativ hohe Bildschirmzeit, wenn ich ehrlich bin”, meint Müller. Gleichzeitig sieht sie die politische Dimension: “Ich habe fast alle meine Informationen über Social Media bekommen, als ich letztes Jahr das erste Mal wählen durfte. Social Media hat einen sehr großen Einfluss auf das Wahlverhalten und das politische Denken.”
Und wie wäre ein solches Verbot in Österreich? “Bis 16 finde ich krass – vielleicht eher bis 14. Ab 16 kann man ja wählen”, meint die 17-Jährige. Märker ergänzt: “Im Regierungsprogramm ist Medienkunde vorgesehen. So könnte man Jugendliche schrittweise an das Thema heranführen und bräuchte vielleicht gar kein Verbot.”
Verantwortung von Eltern, Schule und Politik
Für Märker und Müller liegt die Hauptverantwortung bei den Eltern: “Sie kaufen die Geräte und können es am ehesten kontrollieren. Die Schule kann nur Rahmenbedingungen setzen, aber wie man es wirklich umsetzt, liegt bei den Eltern”, erklärt Müller. Märker ergänzt: “Man kann in der Schule schon die Rahmenbedingungen setzen, aber wie man es dann wirklich umsetzt, das liegt bei den Eltern.” Auch die Politik müsse ihren Teil beitragen, meint die Schülerin. “Die Politik kann man schon auch zu gewissen Teilen in Verantwortung ziehen. Aber letztendlich kann sie nicht in jedem Einzelfall schauen, was passiert.”

Ergänzende Experteneinschätzung
Andreas Prenn, Stellenleiter der SUPRO, bestätigt die Bedeutung von Social Media für Jugendliche, warnt aber vor Risiken: “Digitale Medien wirken unmittelbar auf das Belohnungszentrum. Likes oder Antworten setzen das Belohnungshormon Dopamin frei. Genau dieses Belohnungssystem ist an der Entstehung von Suchterkrankungen beteiligt.”
Ein Verbot allein verhindere keine Abhängigkeit, so Prenn: “Ähnlich wie beim Jugendschutzgesetz für Alkohol kann es aber dabei unterstützen, einen vernünftigen und verantwortungsvollen Konsum zu erlernen.” In Vorarlberg gebe es bereits zahlreiche Beratungsfälle. “In der SUPRO rufen pro Woche mehrere Eltern an, weil sie befürchten, dass ihre Kinder “computerspielsüchtig” oder “Social-Media-süchtig” sind. In den meisten Fällen können wir Entwarnung geben und unterstützen die Eltern dabei, den Medienkonsum ihrer Kinder in vernünftige Bahnen zu lenken.”
Darüber hinaus sieht Prenn drei zentrale Aspekte für Eltern und Schulen: Vorbild sein, Verantwortung übernehmen und damit vernünftige Konsequenzen setzen und die analoge Welt mit medienfreien Angeboten stärken.

Politische Dimension
Australiens Premierminister Anthony Albanese betonte beim Inkrafttreten des Gesetzes, Ziel sei es, Kinder und Jugendliche vor den negativen Folgen des Internets zu schützen und ihre mentale Gesundheit zu fördern. Familien sollen entlastet werden, Kinder sollen ihre Kindheit unbeschwert genießen können.
Andreas Prenn unterstützt die australische Entscheidung ausdrücklich: “Ich wäre froh, unsere Politiker in Österreich wären auch so klar und kompetent.”