Tänzerische Weihnachten

Die famose Capella della Torre mit der Weihnachtshistorie von Heinrich Schütz in Feldkirch
Feldkirch Kann man Weihnachten tanzen? Wenn man das Abschlusskonzert der Montforter Zwischentöne am Mittwoch im vollbesetzten Montforthaus gehört hat, ist die Antwort: ja! Der Abend war von einem tänzerischen Grundimpuls durchdrungen, der für die Musik des 17. Jahrhunderts charakteristisch ist und den die Capella della Torre, die Solisten und der Chor aus Studierenden der Stella-Musikhochschule glanzvoll umsetzten. Zuvor bedankte sich der Co-Organisator Folkert Uhde beim Gründer des Festivals, Hans-Joachim Gögl, der gerade zum Ehrenmitglied des Vereins Montforter Zwischentöne ernannt worden war, und bei Bärbel Hellerschmidt-Gögl für elf Jahre inspirierter Zusammenarbeit.
Im ersten Teil kamen Instrumental- und Vokalkompositionen aus dem 17. Jahrhundert zur Aufführung. Die weltweit tätige Capella della Torre, die 2005 von der Oboistin und Schalmeivirtuosin Katharina Blüml als Ensemble für Alte Musik, vorwiegend Bläsermusik, gegründet wurde, überzeugte vom ersten Tanz an, einem Passamezzo von Michael Praetorius, mit dem farbigen Klang ihrer Instrumente: der nasalen Schalmei, dem schnarrenden Bassdulzian, der sanften Posaune, der beweglichen Blockflöte, der ruhigen Orgel, der zarten Laute und dem phantasievollen Schlagwerk. Es war faszinierend zu beobachten, wie die Mitglieder der Capella miteinander durch Blicke kommunizierten und wie Blüml mit der Schalmei und durch ihre Körpersprache das Ensemble leitete. Phantastisch war der Percussionist Mike Turnbull, der den rhythmischen Grundimpuls gab und sogar ein kleines Glocken- und Schellenkonzert improvisierte, bei dem man die abziehenden Herden zu hören glaubte. Die amerikanische Sopranistin Margaret Hunter gestaltete in einem Magnificat von Moritz Landgraf von Hessen und in einer Arie von Francisco de Soto ihren Part mit klarer, intensiver Stimmgebung, nur die Textdeutlichkeit war nicht optimal. Die beschwingte Hirtenweise „Quando nacette ninno“ eines Anonymus kam sicher vielen bekannt vor: Händel hat sie für die Arie „Er weidet seine Herde“ im Messias verwendet.
Mit beseelter Intensität gelang dann die Interpretation der Weihnachtshistorie von Heinrich Schütz, die der weit über Siebzigjährige 1660 für den Dresdener Hof komponiert hat, sicher die eindrucksvollste Vertonung des Weihnachtsevangeliums vor Bach. Die Instrumentierung ist nicht zwingend vorgeschrieben: Durch den Bläserklang der Capella della Torre, v. a. Schalmei und Blockflöte, kam das pastorale Element besonders gut zur Geltung. Unter der Leitung von Benjamin Lack, der suggestiv dirigierte, machte auch der sechsstimmige Chor aus Studierenden der Stella eine gute Figur, sowohl mit den einzelnen Stimmgruppen und Solisten als auch durch den homogenen und warmen Gesamtklang und die Textverständlichkeit. Die tragende Rolle in der Weihnachtshistorie hat der Evangelist: Der junge deutsche Tenor Fabian Kelly meisterte seinen Part klangschön und deutlich, im gelassenen Tonfall eines Chronisten, den Schütz wohl verlangt hat; umso ergreifender war die dramatische Stelle mit dem bethlehemitischen Kindermord. Der Engel ließ in der durchdringenden Stimmgebung durch Margaret Hunter auch etwas von dem heiligen Schrecken ahnen, den diese Himmelswesen einjagen. In den Intermedien spielte die Capella manchmal geradezu jazzig, es wird ja auch in dieser Musik viel improvisiert. Zum Schlusschor „Danck sagen wir alle Gott“ mischten sich die Solisten unter den Chor. Das tief berührte Publikum spendete starken Applaus, als Zugabe erklang „Es ist ein Ros entsprungen“, im Satz von Praetorius.
Ulrike Längle