„Gefahr wird unterschätzt“

Sorgt Wild-Überpopulation für die TBC-Bedrohung? Mehr Rotwild-Abschüsse gefordert.
Bregenz. Im Vorarlberg nahen Waldgebiet des Tiroler Außerfern werden so viele Hirsche und Rehe erlegt wie nie zuvor. „Wir wollen den Wildbestand im Vergleich zu den Höchstzahlen von vor zwei Jahren halbieren“, sagt der Tiroler Leiter der Veterinärabteilung, Josef Kössler. Weitere zwei Jahre werde man dafür brauchen, glaubt der Veterinär. Die ambitionierten Vorgaben der Tiroler Behörden basieren auf dem Tierseuchengesetz. Denn Experten sind überzeugt: Zu viele Rehe und Hirsche bedeuten ein hohes TBC-Risiko beim Wild und auch beim Vieh. „Wir konnten den Beweis erbringen, dass es einen Übersprung der TBC vom Rotwild zu Rindern gegeben hat“, liefert Kössler weitere Argumente für die radikalen Maßnahmen, die jetzt im Lechtal getroffen werden.
Kommerzielle Interessen?
Warum ausgerechnet das Lechtal eine so dramatische Überpopulation von Wild aufzuweisen hat, ist für den Tierarzt Michael Schönbauer (63) offensichtlich. „Dort hat man bewusst für einen zu hohen Bestand gesorgt. Damit reiche Hobby-Jäger jederzeit auf diversen Jagden schießen konnten, was sie wollten.“
Schönbauer, der auch schon das Institut für veterinärmedizinische Untersuchungen in Mödling leitete, ist überzeugt davon, dass der TBC-Erreger ursprünglich von Dachsen, Füchsen und Mardern kommt und von diesen auf das Wild übertragen wird. Dieses wiederum kann Rinder anstecken, wenn es zu Kontakten kommt. „Wo viel Wild ist, sind auch viele Dachse, Füchse und Marder“, stellt Schönbauer die für ihn logische Gleichung auf. Der Veterinär glaubt, dass die TBC-Gefahr massiv unterschätzt wird.
Cobra-Einsatz geplant
Im Lechtal erwägte man sogar einen Cobra-Einsatz zum konzentrierten Abschuss von Hirschen und Rehen, nachdem sich die dortigen Jäger geweigert haben sollen, mehr Wild zu schießen.
Dass eine hohe TBC-Gefahr im Lechtal auch ein Bedrohungspotenzial für Vorarlberg darstellt, ist unbestritten. Auch in Vorarlberg sei der Wildbestand viel zu hoch, meinen einige Experten. Der Vorarlberger Wildökologe Hubert Schatz (47) will das so nicht bestätigen. „Es gibt Bereiche, wo die Wildkonzentration hoch ist, ja. Aber ob wir insgesamt zu viel Wild haben, ist eine Sache der Sichtweise“, drückt sich Schatz etwas kryptisch aus. Klarer ist diesbezüglich Agrar-Landesrat Erich Schwärzler (59): „Wir haben in bestimmten Revieren zu viel Wild.“
Ob das auch mit kommerziellen Interessen zu tun hat, wollte Schwärzler weder bestätigen noch dementieren.
Partnerschaft beschworen
Angesichts der gehäuften Rinder-TBC-Fälle im benachbarten Oberallgäu – bisher wurden dort 74 Tiere wegen des TBC-Erregers getötet – beschwört Schwärzler einmal mehr die Partnerschaft von Jägern, Bauern und Älplern. „Im Umfeld von Orten, wo der TBC-Erreger festgestellt wurde, untersuchen wir den gesamten Rinderbestand“, betont Schwärzler. Beim Wild werden zehn Prozent aller Abschüsse beprobt.
Noch radikalere Maßnahmen gibt es nach den sprichwörtlichen Seuchenjahren im Bezirk Reuthe. Dort wurde der gesamte Rinderbestand des Bezirkes – rund 4300 Tiere – auf den gefährlichen Erreger untersucht.
Ganz wichtig ist die Kooperation von Älplern, Bauern und Jägern.
LR Erich Schwärzler