Aberkennung des Staatswappens
Einer der größten Erfolge der Bundesregierung in den vergangenen Jahren war wohl die Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. An die Stelle von über 100 verschiedenen Berufungsbehörden sollen die neun Landesverwaltungsgerichte und zwei Verwaltungsgerichte des Bundes treten. Der zentrale Verwaltungsgerichtshof in Wien sorgt für die notwendige Einheitlichkeit und für den abschließenden Rechtsschutz.
Ich hatte allerdings in meinen positiv gestimmten Kommentaren auch vor übereilter Euphorie gewarnt. Spätestens seit vor 40 Jahren die Wohnbauförderung auf die Länder übertragen wurde und die bis dahin dafür zuständige Abteilung im Wirtschaftsministerium in „Wohnbauforschung“ umbenannt wurde, kennt man den Erfindungsreichtum der Bürokratie, wenn es darum geht, überflüssig gewordene Einrichtungen mit einem neuen Namen zu versehen. Diese Abteilung gibt es auch heute noch.
Der Besuch einer Informationsveranstaltung in Wien, in welcher die verschiedenen Ministerien stolz ihre neuesten Vorhaben vorstellten, hat solche Zweifel leider bestätigt. Die Ministerien träumen auch von einem riesigen Bundesverwaltungsgericht in Wien mit 400 Bediensteten, für das es anscheinend noch nicht einmal einen Platz gibt, obwohl das Gericht mit Beginn nächsten Jahres eingerichtet sein muss.
400 Leute wollen natürlich mit Akten beschäftigt sein, also muss Arbeit her: Zu diesem Zweck planen die Ministerien nun Änderungen am ausverhandelten und vom Parlament beschlossenen Konzept: Mit besonders bedeutsamen Angelegenheiten soll statt den angeblich unfähigen Landesverwaltungsgerichten das viel qualifiziertere Bundesverwaltungsgericht betraut werden. Als Beispiel für eine besonders wichtige Sache fällt den Beamten die „Aberkennung des Staatswappens“ ein! Sogar simple Bescheide der Bezirkshauptmannschaften sollen in Wien statt im Land angefochten werden können.
Es ist eigentlich kaum zu glauben, mit welch nichtigen Angelegenheiten sich die Ministerialbürokratie in Österreich beschäftigt, nur um Schreibtische zu retten. Die Länder sollten auf der Hut sein und darüber wachen, dass dieses Reformprojekt nicht zum Nachteil der Bürger verwässert wird.
peter.bussjaeger@vn.vol.at
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