Gespannte Blicke in Richtung Süden

Italien-Wahl beschäftigt auch im Ländle lebende Bürger des südlichen Nachbarn.
Bregenz. Im Lustenauer Traditionsitaliener „Bella Napoli“ lassen Geschäftsführer Orazio Leonardi (46) und sein Cousin, der Pizzakoch Andrea Sorbello (37), keinen Zweifel über ihren sentimentalen Favoriten. „Ich mag Silvio Berlusconi. Ich hab’ ihn per Wahlkarte gewählt. Mir gefällt sein Auftreten“, sagt Andrea. „Monti schläft ja fast ein. Berlusconi hingegen hat Temperament. Er weiß auf jede Frage zehn Antworten“, beschreibt Orazio die Vorzüge, die Berlusconi seiner Meinung nach hat. Die privaten Eskapaden des Milliardärs spielt er herunter. „Er ist halt lebenslustig, macht gerne Partys. Da wären doch alle gerne dabei.“ Gewählt hat der aus Sizilien stammende Geschäftsführer des „Bella Napoli“, das es in Lustenau bereits 23 Jahre gibt, nicht. „Grundsätzlich interessiert mich Politik nicht.“
„Radikale Sprüche“
„Es muss wohl eine italienische Eigenheit sein, dass einer wie Silvio Berlusconi überhaupt noch irgend eine Rolle bei einer Wahl spielen kann. Nachdem er schon so oft angetreten ist. Und immer mit Versprechungen, die er natürlich nicht halten konnte“, schüttelt der aus dem Südtirol stammende Psychologe Armin Pircher (32) den Kopf über den Milliardär und Medienmogul. Die Faszination Berlusconi führt Pircher vor allem auf zwei Gründe zurück. „Er entspricht dem italienischen Macho-Bild eines in die Jahre gekommenen italienischen Konservativen. Dieses Bild kommt offensichtlich nicht so schlecht an. Und: Er ist mit seinen Fernsehsendern natürlich 24 Stunden am Tag präsent“, analysiert Pircher. Italien bräuchte dringend Reformen. „Da schadet einer wie Berlusconi nur. Einer, der sich, wenn’s kritisch wird, in radikale Sprüche und Euro-Austrittsdrohungen flüchtet.“
Fassungslos
Auch die Ärztin Daniela Azzolina (30) ist über den „Cavaliere“ genannten Polit-Rückkehrer fassungslos. „Es ist einfach unglaublich, dass einer wie er, der so viele Verfahren mit kriminellen Anschuldigungen offen hat, überhaupt zur Wahl antreten darf.“ Azzolini, Tochter eines Sizilianers und einer Südtirolerin, beschäftigt sich mit der Wahl in ihrem Heimatland jedoch kaum. Das Einzige, was sie hofft: Dass egal wie die Wahl ausgeht, diese keine negativen Folgen für ihre Verwandten in Italien haben wird. „Auf mich persönlich, die ich hier arbeite, hat der Urnengang ja kaum Auswirkungen.“
Fan von Beppe Grillo
Der aus Rom stammende Software-Entwickler Mauro Monderna (49) gibt seine Stimme per Wahlkarte dem Anführer der Protest-Bewegung, Beppe Grillo. Auch Monderna ist nicht unbedingt ein Berlusconi-Freund, aber auch der jetzige Ministerpräsident Mario Monti ist für ihn nicht wählbar. „Der steckt zu sehr mit den großen Banken unter einer Decke“, glaubt Monderna. „Die Banken lässt er ungeschoren, die Bevölkerung wird für die Staatssanierung geschröpft. Vor allem die Grundsteuer ist horrend. So zahlen einfache Leute für eine Wohnung an der Peripherie Roms 600 Euro pro Jahr. Das ist zu viel.“
Monti steckt zu sehr mit den Banken unter einer Decke.
Mauro Monderna
