Wenn Gras die Steine verdeckt

Die Vermessung der Alpnutzflächen ist eine Wissenschaft, sagt Alpmeister Werner Dobler.
Tschagguns. Auf der Alpe Gampadels ob Tschagguns ist die Luft klar und rein. Gerne tritt man gelegentlich aus dem Schatten und lässt sich von der Morgensonne wärmen. Am massiven Holztisch bei der Almhütte sitzt Werner Dobler (60) mit einem Haufen Papierunterlagen. Er erklärt, wie schwierig das sei mit der Berechnung von Almfutterflächen. Jenes Thema, das österreichweit in den vergangenen Wochen für Aufsehen sorgte, weil die EU laut einer ersten Hochrechnung Rückforderung wegen nicht berechtigter Förderungen für Futterflächen in Höhe von 64 Millionen Euro stellte, über 600.000 davon an Vorarlberger Bauern.
Trügerisches Luftbild?
Man könne nicht einfach via Luftbilder feststellen, was Futterfläche sei und was nicht, protestierten die Bauern. „Das kann man wirklich nicht“, sagt auch Werner
Dobler, für 248 Weiderechte, verteilt auf 170 Besitzer, verantwortlich. 50 Bauern haben derzeit 300 Tiere auf den Alpen Gampadels, Tilisuna und der Walseralpe. Die Tiere kommen von Bauern aus dem Unterland, dem Bregenzerwald, dem Walgau, vom Montafon und einige sogar aus Möggers. Warum aber ist die Vermessung der Weidefläche für das Vieh so schwierig?
Die Höhe des Grases
Dobler zeigt auf einen steilen Hang gegenüber dem Stall. Der schaut zum Beispiel ganz anders aus, wenn das Gras höher steht. Dann sieht man von der Luft aus nur Weidefläche. Ist das Gras jedoch noch kurz, sieht man vor allem viele Steine. Außerdem könne eine Überprüfung zur falschen Zeit Flächen als Nicht-Weideflächen ausweisen. „Das deshalb, weil aus Witterungsgründen dort eben kein Vieh ist.“ Dobler spricht auch vom sogenannten „Aufmaß“, das bei Bildschirmkontrollen wegen der Steilheit gewisser Flächen angewendet werde und nicht die tatsächliche Größe wiedergebe. Hinzu komme, dass die Qualität des Grases umso besser sei, je höher man hinaufkomme. „Da braucht ein Tier weniger als weiter unten.“
Genauigkeit
Wie unterschiedlich Perspektiven und Ergebnisse sein können, beweist Dobler mit seiner für 2012 erstellten Flächenangabe für die Alpen Gampadels und Tilisuna. „Ich habe mit meinen Berechnungen 130 Hektar Weidefläche errechnet. Die Bildschirmkontrolle aus Wien ergab dann nur 94 Hektar. Schließlich haben wir das Ganze noch einmal überarbeitet. Ein Vertreter der Kammer, ein erfahrener langjähriger Hirt, der Obmann der Alpengemeinschaft und ich: Schließlich kamen wir auf 110 Hektar. Für diese Fläche habe ich dann den Antrag gestellt.“ Dobler betont, dass die EU nicht nur bei zu groß bemessenen Flächen mit Strafen droht, sondern auch bei zu klein dimensionierten. „2004 hatte ich 110 Hektar im Antrag angegeben, 141 wurden mir dann jedoch anerkannt. Es geht denen um Genauigkeit.“ Sein Fazit: „Die Feststellung der Alpflächen ist eine Wissenschaft, bei der der Alpmeister für das Ergebnis verantwortlich gemacht wird.“
Sie wollen Genauigkeit. Da sollte man nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig angeben.
Werner Dobler