Als Frau Holle zum Roboter wurde

Vorarlberg / 08.12.2013 • 19:14 Uhr
Der „Mister Snow“ vom Arlberg, Michael Manhart. Vor 40 Jahren wurde er noch belächelt, heute ist Skifahren ohne künstliche Beschneiung in Vorarlberg nicht mehr vorstellbar.  Foto: VN/Paulitsch
Der „Mister Snow“ vom Arlberg, Michael Manhart. Vor 40 Jahren wurde er noch belächelt, heute ist Skifahren ohne künstliche Beschneiung in Vorarlberg nicht mehr vorstellbar. Foto: VN/Paulitsch

40 Jahre Kunstschnee in Vorarlberg. 1973 schneite es erstmals aus Kanonen.

Lech, Bregenz. Michael Manhart, heute 71, erinnert sich noch ganz genau. Er positionierte die SMI 320 im Talbereich am Schlegelkopf, drückte auf den Kopf und siehe da . . . es schneite und schneite. „Für mich“, sagt der eigenwillige Lecher Seilbahnchef heute, „war’s keine Überraschung. Ich wusste ja, dass es funktioniert. Hab’ das ein Jahr zuvor in Amerika schon gesehen und probiert.“ Es war im Vergleich zu heute alles noch etwas improvisiert. Es gab keine Wasserleitung, das Wasser entnahm der Lecher einem Hydranten. Als sich dieses als zu warm erwies, pumpte er das schneespendende Nass aus dem Bach.

„Mister Snow“

„Herr Holle“ oder „Mister Snow“ nannten ihn damals die einen; die wenigen, die ihn und das, was er tat, bewunderten. „Spinner“ nannten ihn all die anderen. Es war die große Mehrheit. Bürgermeister und Skischulleiter zogen gegen ihn zu Felde. Der Landeshauptmann sollte „dem Spinner“ Einhalt gebieten. Als 1984 dann die Grünen in den Landtag kamen, wurde die Kunstschneeproduktion total verteufelt. Umweltschädlich sei sie, eine Gefahr für Vegetation und Wasserhaushalt. Doch der Wintertourismus setzte immer stärker auf den Kunstschnee. Schließlich wurden die schneearmen Winter mehr, die Sicherheit für den Gast, dem Skivergnügen zu frönen, geringer. Heute gibt es künstliche Beschneiung in praktisch jedem Skigebiet Vorarlbergs, für Wintersport­orte in tiefen und mittleren Lagen ist die Kunstschneeproduktion praktisch zur Lebensversicherung geworden.

Resistente Depots

Produziert werden in den Vorarlberger Skigebieten mittlerweile jährlich mehrere Millionen Kubikmeter Kunstschnee. Allein in Lech und Zürs sind es 950.000, die auf über 40 Kilometern ca. 131 Hektar Skipisten entstehen lassen und für Kosten von 6,5 Millionen Euro sorgen. Aus einem Kubikmeter Wasser erzeugt man durchschnittlich 2,3 Kubikmeter Schnee, der etwa acht mal so schwer ist wie unpräparierter Naturschnee. Es gibt drei bedeutende Typen von ­Schneeerzeugungsgeräten:

Die Propeller-Kanone, die Schnee-Lanze, den Arlberg-Jet. Grundsätzlich darf nach den geltenden Beschneiungsrichtlinien der Vorarlberger Landesregierung ab 1. November beschneit werden. In den großen Skigebieten wurde nach umfangreichen Bewilligungsverfahren eine Beschneiung schon früher bewilligt. Unterschieden wird zwischen Flächenbeschneiung und Depotbeschneiung. Bei einer Depotbeschneiung werden große Schneehaufen für die spätere Verteilung angelegt. „Zu Beginn schneit man immer auf Depot, weil das Beschneiungsgerät ortsfest positioniert ist“, erklärt Michael Manhart. „Diese Depots sind äußerst resistent gegen äußere Witterungseinflüsse.“

Stolz auf Beschneiung

Schon lange rühmen sich die heimischen Skigebiete ob ihrer Beschneiungskapazitäten. In der Silvretta Montafon wurde erst kürzlich die Pumpstation Kropfen feierlich eröffnet. Im Einsatz war diese Pumpstation bereits seit Mitte Oktober. „Nur so war es möglich, schon am 16. November mit Wochenendbetrieb in die Wintersaison zu starten, betont Georg Hoblik (45), Vorstand von Silvretta Montafon, um dann freudig hinzuzufügen: „Wir sind stolz, als erstes Skigebiet in die Wintersaison gestartet zu sein. Die Beschneiungskapazität wurde in der Silvretta Montafon deutlich erhöht. Allein am Hochjoch konnte die Schneeleistung verdoppelt werden. Aber auch in Lech/Zürs, wo der Anteil der beschneiten Pisten 57 Prozent beträgt, stehen Erweiterungen der Kapazitäten an.

Von Naturschützerseite hat sich trotz anhaltender Skepsis beim einen oder anderen Beschneiungsprojekt der große Sturm der Entrüstung längst gelegt.

Den Großteil des Wassers für den Kunstschnee gewinnen die Seilbahner aus Speicherseen, die dafür in den Skigebieten extra angelegt wurden. Diese werden auf natürliche Weise durch den Regen in der warmen Jahreszeit gefüllt. Die Kritik der Naturschützer: Diese Seen hätten das Landschaftsbild negativ verändert.

Der „Mistert Snow“ vom Arlberg, Michael Manhart. Vor 40 Jahren wurde er noch belächelt, heute ist Skifahren ohne künstliche Beschneiung in Vorarlberg nicht mehr vorstellbar.  Foto: VN/Paulitsch
Der „Mistert Snow“ vom Arlberg, Michael Manhart. Vor 40 Jahren wurde er noch belächelt, heute ist Skifahren ohne künstliche Beschneiung in Vorarlberg nicht mehr vorstellbar. Foto: VN/Paulitsch
Als Frau Holle zum Roboter wurde

Fakten Beschneiung

» 1125 Schneekanonen waren 2012/213 in Vorarlberg im Einsatz.

» 2,25 Millionen Kubikmeter Kunstschnee wurden in Vorarlberg in der vergangenen Saison erzeugt.

» Die beschneite Fläche in Vorarlberg betrug in der Vorsaison 564 Hektar.

» 14.000 Hektar werden österreichweit beschneit.

» In Vorarlberg gibt es Beschneiung in 18 Skigebieten.

» Pro Hektar Piste werden jährlich rund 3000 m3 Wasser genutzt.

» Der Energieverbrauch pro Kubikmeter technischem Schnee liegt zwischen drei und einer kWh.

» Pro Skifahrer und Tag werden durchschnittlich 4,2 kWh benötigt.