Der „beste Mann“ kennt kein rotes Ampellicht . . .

Vorarlberg / 30.07.2014 • 22:28 Uhr
Tempolimits und Rotlicht sind bei tschetschenischen Hochzeiten Tabu­themen.  Symbolfoto: VN/Hartinger
Tempolimits und Rotlicht sind bei tschetschenischen Hochzeiten Tabu­themen. Symbolfoto: VN/Hartinger

Tschetschenen-Hochzeit: Wildes Autorennen um den Platz hinter dem Brautfahrzeug.

Bregenz. Ehre und Bewunderung gebühren in Tschetschenien jenem Mann, der sich bei einer Hochzeit unmittelbar hinter dem Fahrzeug der Braut halten kann. Hält er das bis zum Festsaal durch, gilt er als der „beste Mann“. So ist es Brauch. Und das nicht nur in der russischen Föderation. Sondern auch dort, wohin das Schicksal jene Volksgruppe auch immer verschlägt. Im aktuellen Fall Vorarlberg. So geschah es, dass hierzulande ein tschetschenisches Pärchen den Bund fürs Leben schloss. Die Reise ging von Schwarzach bis hin zum Festsaal in Bregenz. Die Reise? Besser gesagt eine Rallye. Oder noch treffender formuliert: ein verantwortungsloses, rücksichtsloses und beispielloses Kopf-an-Kopf-Rennen auf vier Rädern. Auf öffentlichen Straßen, mitten durch besiedeltes Wohngebiet.

Blechsalat auf der Kreuzung

Fünfzig Autos, fünfzig Lenker. Die Füße bereit auf dem Gaspedal. Die Motoren heulten. Und los ging’s mit der „Formel 1“ um den „besten Mann“, bis zur nächsten Kreuzung: In die raste ein 36-jähriger „Pilot“ bei Rotlicht. Überholte andere links und rechts. Bis das Blech krachte. Ein hiesiger Autofahrer, der ordnungsgemäß bei Grünlicht in die Kreuzung einfuhr, musste ausweichen. Krachte gegen einen weiteren Pkw. Und der gegen den Nachfolgenden.

Der Rat der Ältesten

„Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ hieß gestern die Anklage am Bezirksgericht Bregenz. Der 36-jährige Unfalllenker war von Anfang an geständig. „Alle haben damals einander überholt. Jeder hat gedrängelt. Das ist bei uns so Sitte!“, rechtfertigte er sich, und: „Die Ältesten haben uns vorher noch geraten, dass wir uns im Rahmen halten und keine Gesetze brechen sollen.“ Ein Rat, der in der Hoffnung auf den Titel um den „besten Mann“ hoffnungslos untergehen sollte.

„Nichts mitbekommen“

Der Beschuldigte habe dabei nicht einmal bemerkt, welches Schlamassel er angerichtet hatte. „Ich habe gar nichts mitbekommen. Erst einige Minuten später wurde ich über das Handy informiert, das ich einen Unfall verursacht habe …“

Richter Christian Röthlin redete dem Angeklagten vehement ins Gewissen: „Solche Geschichten können Sie in Tschetschenien machen, aber nicht in Österreich. Hier ist kein Platz für solche Wettbewerbe.“ Der Angesprochene zeigte sich reumütig: „Jeder Mensch macht mal einen Fehler im Leben. Bei mir war es das erste und letzte Mal.“

Über die von Bezirksanwalt Stefan Willi vorgeschlagene Freiheitsstrafe sah Röthlin noch einmal hinweg. Es blieb bei einer Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagessätzen zu je vier Euro. Der Verurteilte nahm an, der Bezirksanwalt will Bedenkzeit.

In wenigen Wochen wird noch ein weiterer rasender Hochzeitsteilnehmer Bekanntschaft mit dem Gericht machen. Auch er hatte damals einen Blechsalat verursacht. Wenigstens war er dabei noch rechtzeitig einem Radfahrer ausgewichen.

Jeder Mensch macht mal einen Fehler im Leben.

Der Angeklagte