“Mietgrenzen sind ein Unfug”

Vorarlberg / 08.09.2014 • 21:08 Uhr
Wolfgang Amann regt an, dass der gemeinnützige Wohnbau für den Mittelstand geöffnet werden soll.  Foto: VN/Hofmeister
Wolfgang Amann regt an, dass der gemeinnützige Wohnbau für den Mittelstand geöffnet werden soll. Foto: VN/Hofmeister

Wohnbau ist das Thema im LT-Wahlkampf. Wolfgang Amann analysiert die Forderungen.

SCHWARZACH. Mietobergrenze? Umwidmungen? Baulandhortung? Dr. Wolfgang Amann ist Leiter des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen in Wien. Für die VN nimmt er die Vorschläge der Parteien unter die Lupe.

Leistbares Wohnen zählt im Wahlkampf zu den zentralen Themen. Zu Recht?

AMANN: Absolut. In Vorarlberg ist eine Teilung der Gesellschaft zu befürchten. Zwischen denjenigen, die sich noch ein Eigenheim leisten können und denen, die es nicht mehr können.

Die Wohnbauförderung trägt großen Anteil an der Schaffung von Eigentum. Die ÖVP will diese von der Kinderanzahl und dem Einkommen abhängig machen. Macht das Sinn?

AMANN: Die Wohnbauförderung ist ein geeignetes Instrument, um soziale und familienpolitische Ziele zu verfolgen. Also ja, natürlich macht das Sinn. Sie eignet sich aber auch hervorragend für andere Lenkungseffekte. Insbesondere wenn es um Energie, Wirtschaft und Raumordnung geht.

Die FPÖ will die Ökostandards zurücknehmen, spricht im Wahlprogramm gar von einem „Passivwahn“. Macht die Koppelung an Standards das Wohnen teurer?

AMANN: Nur kurzfristig. Der Gebäudesektor hat großes Potenzial, ein Null-Emissionen-Sektor zu werden. Die Wohnkosten können langfristig nur durch energieeffizientes Bauen gesenkt werden.

Die SPÖ will private Bauträger verpflichten, in Gebäuden ab zehn Wohnungen einen Anteil von 25 Prozent an gemeinnützigen Wohnungen vorzuschreiben.

AMANN: Ein origineller Vorschlag. In Wien können gewerbliche Bauträger ebenso geförderte Mietwohnungen realisieren wie Gemeinnützige. Es gibt internationale Beispiele, dass Bauträger nur dann eine Baubewilligung oder Förderung bekommen, wenn sie einen gewissen Teil der Wohnungen für untere Einkommensschichten reservieren. Ich finde das spannend.

Außerdem wollen die Sozialdemokraten eine Mietobergrenze von 7,50 Euro pro Quadratmeter einführen.

AMANN: Ein Vorschlag mit Copyright by Maria Vassilakou. Aus meiner Sicht ist das ein richtiggehender Unfug, auch die Grünen haben sich mittlerweile davon distanziert. In Vorarlberg würde niemand mehr Wohnungen vermieten.

Sowohl FPÖ als auch SPÖ wollen Landwirtschaftsflächen für den gemeinnützigen Wohnbau umwidmen.

AMANN: In Deutschland wird das unter dem Begriff Vertragsraumordnung intensiv betrieben. Wer umwidmen möchte, muss beispielsweise mit der öffentlichen Hand um den Anteil der sozialen Wohnungen verhandeln. Allerdings fördert es die Zersiedelung, und das ist in Vorarlberg ein sehr großes Thema. Wenn der Flächenverbrauch in einem ähnlichen Tempo weitergeht, werden die Vorarlberger ihren Kindern und Kindeskindern ein grauenvolles Erbe hinterlassen.

Die Grünen sagen der spekulativen Baulandhortung den Kampf an. Gibt’s die wirklich?

AMANN: Ja, einige Großbetriebe haben in großem Ausmaß Grundstücke gekauft, man nennt das „Land-Banking“. Allerdings reden wir hier von wenigen Akteuren. Es würde schon viel bringen, mit ihnen ein ernstes Wörtchen zu sprechen um ihnen klarzumachen, dass sie auch Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit haben.

Die Neos fordern, Vermieten wieder attraktiver zu machen, zum Beispiel durch Abschaffung der Mietvertragsgebühr.

AMANN: Die Streichung wird von mehreren Seiten gefordert, ein großer Wurf wäre es allerdings nicht. Die Thematik hat mehr mit dem Mietrecht zu tun. Es ist wichtig, dass der Vermieter weiterhin über sein Eigentum verfügen kann. Außerdem kann man niemanden zwingen, seine Wohnung zu vermieten.

Ist es nicht fragwürdig, dass es Menschen ohne Obdach und gleichzeitig leer stehende Wohnungen gibt?

AMANN: Das ist ungerecht, keine Frage. Aber auch der Schutz des Eigentums ist ein sehr hohes Gut.

Sollten gemeinnützige Wohnungen verkauft werden?

AMANN: Entweder kann der Mieter kaufen oder die Wohnung geht an Investoren. Ersteres halte ich für eine gute Sache. Der gemeinnützige Sektor soll vermehrt gefördertes Eigentum realisieren. Beim Verkauf an Investoren reicht schon die Erfahrung mit der Buwog, um diese Idee vom Tisch zu wischen.

Was muss geschehen, damit Wohnen wieder günstiger wird?

AMANN: Am effektivsten wird sein, den großvolumigen geförderten Wohnbau dem Mittelstand zu öffnen – zum Beispiel durch Mietkauf. Leider werden Sozialwohnungen oft stigmatisiert. Dort zu wohnen bedeutet, nicht zu den Gewinnern zu gehören. Das muss sich ändern. Die gemeinnützigen Wohnbauträger sollen nicht nur für die Einkommensschwächsten bauen dürfen, sondern auch für den Mittelstand.

Auch der Schutz des Eigentums ist ein sehr hohes Gut.

Wolfgang Amann
Immo Forum west Veranstaltung mit VN-Beteiligung Podiumsdiskussion
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